In diesem Jahr soll besonders an die Menschen erinnert werden, die aufgrund ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Ein Thema, dass bei der geschichtlichen Betrachtung eher selten im Vordergrund steht.
Gundolf Walaschewski: Das ist richtig. Viele Zehntausende kranke und behinderte Menschen wurden von den Nazis ermordet, darunter mehr als 10.000 Kinder. Es ist wichtig, diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Vorbehalte gegenüber psychisch, geistig oder körperlich behinderten Menschen gehören leider auch heute noch zu unserem Alltag. Sie werden am Arbeitsmarkt benachteiligt und sind häufiger von sexueller Gewalt betroffen. Diese Menschen wenden sich aber häufig nicht an die Öffentlichkeit oder ein erweitertes soziales Umfeld, um nicht als hilfebedürftig abgestempelt zu werden. Deshalb ist es wichtig, diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Welche Rolle spielt dieses Thema bei Ihrer Verbandsarbeit?
Walaschewski: Der Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW) versteht sich mit seinen Vereinen als ein Anlaufpunkt für alle. Alle Menschen, die wollen, sollen die Möglichkeit bekommen, in Vereinen Sport treiben zu können. Wir arbeiten eng mit Vereinen zusammen, die Inklusion in ihrem Alltag leben und versuchen, diese Konzepte auch in andere Vereine zu bringen. Eine der vielen Plattformen sind dabei unsere Inklusionsturniere. Wir wollen als Verband Vorbild sein und sagen „Nein“ zu jeder Form der Ausgrenzung.
An den Spiel- und Turniertagen um den 27. Januar 2022 gedenkt der Fußball gemeinsam der ermordeten Menschen, die auch Mitglieder ihrer Vereinsfamilien waren. Dabei gelten die Gedanken aller Opfer des Nationalsozialismus. Wieso ist es auch heute noch wichtig, diese Botschaft in der Öffentlichkeit zu halten?
Walaschewski: Hass gegenüber bestimmten Religionsgemeinschaften sowie Rassismus sind heute keinesfalls aus unserer Gesellschaft verschwunden. Deshalb dürfen wir diese schrecklichen Taten niemals vergessen. Genau diese Botschaft wollen der Fußball und die Menschen, die dahinterstehen am 27. Januar vermitteln. Natürlich ist es genau so wichtig, Toleranz und Gleichberechtigung auch im Alltag zu leben. Doch ein Gedenktag bietet die Möglichkeit, diesem wichtigen Thema eine große Bühne zu geben.
Kann der Fußball mit seinen Vereinen bei diesen Themen also eine Vorbildfunktion einnehmen?
Walaschewski: In kaum einem anderen gesellschaftlichen Bereich wird Integration so stark gelebt wie auf den Sportplätzen. Hier stehen Menschen verschiedener Nationalitäten sowie Anhänger unterschiedlichsten Religionen gemeinsam auf dem Platz, als ein Team. Das ist es, was der Fußball leisten kann. Verbindungen zwischen Menschen zu schaffen, die sich so im Alltag vielleicht nicht begegnen würden. So kann am Ende Toleranz und gegenseitiges Verständnis entstehen.