Mohamed Mohumed und Christina Honsel sorgen am ersten Tag für DM-Gold

Wochenlang hat der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) an seinem 45-seitigen Sicherheits- und Hygienekonzept gearbeitet, um trotz der Corona-Pandemie die 120. deutschen Meisterschaften in Braunschweig der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Für die Athleten und die Zuschauer am Bildschirm war es ein ungewohntes Bild, denn die DLV-Titelkämpfe fanden erstmals in der DLV-Geschichte ohne Publikum statt. Dies führte nicht automatisch zu schlechteren Leistungen. Auch die gähnende Leere im Eintracht-Stadion tat der Spannung in einigen Wettbewerben keinen Abbruch.

Für Nervenkitzel sorgten am ersten Meisterschaftstag vor allem zwei Westfalen. Im Vorfeld des 5.000-Meter-Laufes der Männer war kein klarer Favorit auszumachen. Bei der für einen Langstreckler fast unerträglichen Temperatur von 35 Grad lief im 5.000-Meter-Lauf der Männer alles auf ein Spurtrennen hinaus. Das Finish eröffnete zwei Runden vor Schluss Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg) mit einer enormen Tempobeschleunigung, doch Mohamed Mohumed war hellwach, klemmte sich an die Fersen des Zahnarztes und zog ihm mit einem grandiosen 350-Meter-Spurt in der letzten Runde noch den Zahn. In 14:02,75 Minuten ging für den Schützling von Pierre Ayadi mit seinem souveränen 5.000-Meter-Titelgewinn vor Maximilian Thorwirth (SFD 75 Düsseldorf-Süd, 14:05,46 Min.) und Florian Orth (14:06,43 Min.) ein vorläufiger Traum in Erfüllung. „Ich bin sehr glücklich über diesen Titel. Ich hatte damit ein bisschen geliebäugelt, weil ich über 1.500 Meter mit europäischer Jahresbestzeit von 3:38,83 Minuten sehr gut in die Saison eingestiegen bin", erklärte der 21-jährige Dortmunder gegenüber Leichtathletik.de.

Mohamed Mohumed, dessen großes Ziel im kommenden Jahr die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio ist, hätte mit seiner 1.500-Meter-Top-Zeit sicherlich auch Titelchancen auf der Mittelstrecke gehabt, doch er entschied sich bewusst für die Zwölfeinhalb-Runden-Distanz, weil er seine größeren Perspektiven langfristig über 5.000 Meter und 10.000 Meter sieht.

Mohamed Mohumed ist kein Kind von Traurigkeit, doch auch ihm war die Tropen-Hitze ein wenig zuviel. Daher hatte er mit seinem Trainer Pierre Ayadi vor dem Rennen abgesprochen, erst einmal abzuwarten und dann erst anzugreifen, wenn es der Rennverlauf erfordert. Dieses Konzept ging für den früheren Fußballspieler, der vor Kurzem sein Abitur bestand, voll auf. „Als Florian Orth dann die Attacke gesetzt hat, bin ich direkt mitgegangen. Ich bin überglücklich, aber ich hoffe, dass ich mich in dieser Saison noch weiter verbessern kann", erklärte der neue 5.000-Meter-Meister. Bereits am kommenden Samstag (15. August) möchte er beim Jump'n'Run-Meeting in Dortmund seine 5.000-Meter-Bestzeit, die aktuell bei 13:54,35 Minuten (2019) steht, in Angriff nehmen.

Christina Honsel mit 1,90 Meter zum Hochsprungtitel

Im Hochsprung der Frauen fehlten Seriensiegerin Marie-Laurence Jungfleisch (VfB Stuttgart), die wegen ihrer Achillessehnen-Verletzung ihren Titel nicht verteidigen konnte, und die Vorjahreszweite Imke Onnen (Hannover 96), die ebenfalls wegen ihrer Verletzungsprobleme absagen musste. Daher war der Weg frei für Christina Honsel (TV Wattenscheid), die bis einschließlich 1,84 Meter alle Höhen im ersten Versuch meisterte. Lediglich bei 1,87 Meter musste sie einmal passen. Über die 1,90 Meter flog sie gleich im ersten Versuch. Dieser blitzsaubere Versuch bescherte der glänzend aufgelegten Wattenscheiderin den ersten Meistertitel bei den Erwachsenen. Nachdem ihr Sieg feststand, ließ sie anschließend noch die Höhe von 1,93 Meter auflegen, die für sie eine neue persönliche Bestleistung bedeutet hätte. Allerdings musste sie dreimal passen. Trotzdem zeigte sich die sympathische Wattenscheiderin sehr zufrieden. „ Ich wäre natürlich gerne noch 1,93 Meter gesprungen, weil das eine neue persönliche Bestleistung für mich gewesen wäre, aber mit 1,90 Meter habe ich einen sehr guten Wettkampf gemacht. Ich freue mich vor allem über den Sieg. Ich komme immer ganz gut mit der Hitze klar, aber zum Ende hin war es schon ziemlich heiß", berichtete die letztjährige U23-Europameisterin, die in anderthalb Wochen noch einen Wettkampf in Bydgoszcz (Polen) absolvieren und dann die Saison beenden möchte.

Neben dem „Gold“ von Christina Honsel konnten die Athletinnen und Athleten des TV Wattenscheid am ersten Meisterschaftstag noch drei Mal Silber gewinnen.

Daniel Jasinski mit Saisonbestleistung zur Vizemeisterschaft

Im Diskuswerfen der Männer meldete sich nach langer Wettkampfpause Daniel Jasinski wieder zurück. Der Olympia-Dritte von Rio, der seit langer Zeit immer wieder von Verletzungen geplagt wurde, kam auf starke 61,68 Meter (Saisonbestleistung), lag zwischendurch ganz kurz in Führung, wurde dann aber gekontert. „Ich denke, dass ich mit der Medaille ganz happy sein kann“, so Daniel Jasinski, „ich bin mir sicher, dass ich auch um Gold hätte mitkämpfen können. Aber unter dem Strich bin ich doch froh, nach all den Schwierigkeiten, die ich körperlich in der letzten Zeit hatte, dass ich hier an den Start gehen und den Vize-Titel holen konnte.“ Die Saison ist für den Wattenscheider jetzt zu Ende. Im nächsten Jahr heißt sein großes Ziel Tokio – und dann will er wieder richtig angreifen.

Obwohl es für Erik Balnuweit Silber über 110-Meter-Hürden in 13,77 Sekunden gab, zeigte er sich überhaupt nicht happy: „Nein, zufrieden mit diesem Wettkampf bin ich nicht“, so Balnuweit, „es ging für mich eigentlich nur um den deutschen Meistertitel. Ich war soweit auch auf einem guten Weg, bis ich dann die sechste oder siebte Hürde komplett mitgenommen hab und dann mehr oder weniger fast stand. Dann habe ich noch ganz gut den zweiten Platz gerettet.“ Der mehrfache deutsche Hallenmeister möchte sich jetzt gern wieder an größere Geschwindigkeiten herantasten, damit er 2021 einen besseren Einstieg findet als in diesem Jahr.

Silber für Kugelstoßerin Julia Ritter

Mit gemischten Gefühlen verließ Julia Ritter den Kugelstoß-Ring. Zuvor hatte sie den Wettkampf als Zweite mit 17,47 Meter beendet. „Natürlich freue ich mich über Silber. In der Halle habe ich Bronze geholt, das ist jetzt schon eine Stufe höher. Aber natürlich sind die 17,47 Meter nicht das, was ich wollte. Mit meiner Bestleistung wäre heute mehr drin gewesen", mutmaßt die frühere U18-Weltmeisterin, die in dieser Late Season noch zwei Wettkämpfe bestreiten möchte. Ihre Teamkollegin Hanna Meinikmann wurde gute Fünfte mit 15,58 Meter. Für diese Platzierung reichten ihr nur zwei gültige Versuche.

Auch wenn sein vierter Rang über 100 Meter in ausgezeichneten 10,32 Sekunden nicht mit einer Medaille honoriert wurde, freute sich Philipp Trutenat über seine Vorstellung. „Dass die Medaillen vorne weg sind, war schon vorher klar, da hätte schon viel Glück mit hineinspielen müssen, um da noch rein zu rennen. Aber ich habe in diesem Jahr eine gute Konstanz gezeigt. Und so langsam kommt man auch in diese Corona-Wettkämpfe rein. Natürlich ist das doof, deutsche Meisterschaften leben auch vom Publikum. Aber am Ende des Tages bin ich froh, dass ich hier überhaupt antreten konnte", sagte Philipp Trutenat.

Pamela Dutkiewicz strauchelt an der siebten Hürde

Nahezu untröstlich war Pamela Dutkiewicz, die im 100-Meter-Hürden-Halbfinale am siebten Hindernis ins Straucheln kam und das Rennen aufgab. Im anschließenden Interview mit der ARD versuchte sie, ihr Missgeschick zu erklären: „Ich bin sehr verärgert. Ich habe mich entschieden, dieses Jahr zu nutzen, um ein bisschen etwas auszutesten, um eben das nächste Jahr vorzubereiten. Wir haben eine neue Startposition, die mal klappt und mal nicht – und heute hat sie nicht geklappt. Ich kam nicht richtig auf Geschwindigkeit und war zu weit weg von der Hürde und dann war es auch schon vorbei. Gerade für den TV Wattenscheid tut es mir leid. Ich trage das Trikot des Vereins, der mich unterstützt, schon seit über zehn Jahren.“