Es ist ein wahres Erfolgskonzept. Seit Jahrzehnten existieren in Deutschland sogenannte Lauf-, Walking- und Nordic-Walking-Treffs, lockere Zusammenschlüsse von Freizeitläufer*innen, die sich unkompliziert zum gemeinsamen Laufen verabreden. Anstatt von Druck und Wettkampfambitionen stehen Spaß, Geselligkeit und Erfahrungsaustausch im Vordergrund.
In der langen Geschichte der Lauf-Treffs konnte am Donnerstagabend eine weitere wichtige Wegmarke der Bewegung bestritten werden. Erstmals bot der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) seinen knapp 3.500 registrierten Treffs sowie auch allen Vereinen einen gemeinsamen digitalen Themenabend an, in dem verschiedene Referent*innen vor rund 200 User*innen über ihre Erfahrungen rund um das Phänomen der Lauf-Treffs berichteten.
Moderiert wurde die Veranstaltung aus dem DLV-Studio in Darmstadt von Dr. Kristin Behrens, Senior Managerin Sportentwicklung des Verbandes, sowie Meike Billig, Managerin Freizeit- und Gesundheitssport/Laufen. „Wir wollen mit unseren Lauf-Treffs zukünftig in einen engeren Dialog und Austausch treten. Wichtig ist uns dabei, die Laufbewegung in Deutschland zu stärken. Gemeinsam wollen wir Ideen für die Zukunft entwickeln, enger mit unserer Lauf-Community in Kontakt treten und das Netzwerk weiterentwickeln“, erklärte Dr. Kristin Behrens bereits im Vorfeld die Idee des Themenabends.
TV Cochem bewegt mit einfacher Idee zahlreiche Menschen
„Dass Laufen und Gesundheit eng miteinander verbunden sind, haben wir in den vergangenen zwei Jahren gesehen. Die Laufbewegung hat einen großen Boom erlebt. Viele Menschen haben das Laufen für sich entdeckt – der DLV hält mit seinen Treffs, Vereinen und drei lizenzierten Gesundheitssport-Programmen eine Struktur bereit, die jedem ein individuelles Angebot unterbreiten kann“, ergänzte Meike Billig.
Die ersten Redner des digitalen Themenabends waren Peter Raueiser und Markus Dax vom TV Cochem aus Rheinland-Pfalz. Mit ihrem Projekt „Bewegungssteine“ wurde der Lauf-Treff erst kürzlich mit dem Publikumspreis „Sterne des Sports“ prämiert. Am Donnerstag stellten die Verantwortlichen nun ihr Projekt näher vor und zeigten dabei auf, dass man mit einfachen Ideen viel erreichen kann.
Die sogenannten „Bewegungssteine“, oftmals kleine Kieselsteine, bildhaft mit Übungen wie Seilspringen, Hampelmann oder Liegestütz bemalt, werden in der freien Natur abgelegt. Wer solch einen Stein findet, absolviert die Übung, macht ein Foto davon, postet es auf Social Media und legt den Stein schließlich wieder an anderer Stelle ab, sodass ihn der nächste Vorbeikommende nutzen kann. Die Resonanz des Projekts sei überwältigend, berichtete Peter Raueiser. Bundesweit gebe es bereits zahlreiche Nachahmer, die mit den Steinen Menschen zu mehr Bewegung animieren würden. Einen Bericht zum Projekt des TV Cochem sehen gibt es auf der Homepage der ARD-Sportschau.
Thomas Wessinghage hebt Bedeutung der Lauf-Treffs hervor
Im Anschluss hielt der ehemalige Europameister über 5.000 Meter, Thomas Wessinghage, ein Plädoyer für die Wichtigkeit von Bewegung. „Regelmäßige gesundheitsorientierte Bewegung verlängert das Leben und erhöht die Lebensqualität“, sagte Wessinghage, der nach dem Leistungssport Karriere als Mediziner machte. So arbeitete er nach seinem Studium als Chefarzt, Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer eines Klinikverbundes.
Mit Bewegung könne man proaktiv das Risiko einer Alzheimer-Erkrankung senken und Übergewicht bekämpfen. In Corona-Zeiten sei dies besonders wichtig, da Studien zeigen würden, dass ein Großteil der schwer an Covid-19 erkrankten Patienten übergewichtig seien. „Letztlich gibt es viele Gründe sich zu bewegen. Viel zu viele, um sie alle aufzuzählen“, führte Thomas Wessinghage aus.
Zugleich machte er abschließend deutlich, dass den Lauf-Treffs des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) eine immense Bedeutung für die Gesellschaft zukomme. „Solche Laufeinrichtungen zähle ich zur kritischen Infrastruktur unseres Landes. Auch wenn das noch nicht ganzheitlich erkannt wird. Wenn wir nicht bald in unserem Land anstatt von acht Millionen Diabetikern 15 Millionen haben wollen, wenn wir nicht mehr Menschen im Alter mit Bluthochdruck und einen Anstieg des Übergewichts erleben wollen, brauchen wir diese Infrastrukturen. Die Lauf-Treffs und übergeordneten Organisationen müssen und dürfen auf diese Rolle in der Gesellschaft durchaus selbstbewusst hinweisen.“
Jan Fitschen: Vom Lauf-Treff-Teilnehmer zum Europameister
Thomas Bartling vom Lauf-Treff Bremerhaven erläuterte in seinem Vortrag schließlich, mit welchen Möglichkeiten und kreativen Ansätzen Lauf-Treffs attraktiver gestaltet und vergrößert werden können. Um weitere Teilnehmer*innen zu gewinnen, müsse man sich auch trauen, Menschen anzusprechen. „Verkäuferisch sagt man immer, jede zehnte Ansprache ist ein Erfolg. Wer Absagen erhält, muss einfach weitermachen.“ Statistisch sei man irgendwann zwangsläufig erfolgreich.
Als Überraschungsgast wurde schließlich Jan Fitschen, Europameister 2006 über 10.000 Meter, zugeschaltet. Der 44-Jährige berichtete davon, wie er selbst vom Lauf-Treff-Teilnehmer zum Europameister wurde. Aus eigener Erfahrung machte er allen Lauf-Treff-Organisatoren Mut: „Seid nicht frustriert, wenn die Leute auch mal abspringen. Ich weiß, wie hart es ist, Menschen zu motivieren dabei zu bleiben. Es ist so oder so cool, dass ihr euch die Mühe für diese wichtige Aufgabe macht. Herzlichen Dank dafür!“
Die Resonanz des Abends fiel durchweg positiv aus. Dies machte vor allem auch die abschließende Umfrage deutlich, zu der Kristin Behrens und Meike Billig alle Zuhörer*innen aufriefen. Das eindeutige Ergebnis: 98 Prozent der Befragten stimmten dafür, dass das Format des Themenabends fortgeführt werden solle. Das erste digitale Zusammenkommen in der Geschichte der Lauf-Treffs wird somit mit Sicherheit nicht das letzte gewesen sein.