Jan Fitschen sorgt mit seinem Live-Talk trotz Corona für ein Gemeinschaftsgefühl

Die Corona-Krise macht erfinderisch. Solange der Trainings- und Wettkampfbetrieb ruht, müssen die Läuferinnen und Läufer allein im Wald oder auf der Straße ihre Runden drehen. Das macht einsam, denn Kommunikation ist ein Grundbedürfnis - egal wie und auf welchen Kanälen.

Mit seinem einstündigen Live-Talk auf seinem Instagram-Kanal bot Jan Fitschen allen Laufinteressierten die Gelegenheit, sich über dieses soziale Netzwerk auszutauschen. Originell war dabei, dass der frühere 10.000-Meter-Europameister während des interessanten und kurzweiligen Gesprächs in seinen eigenen vier Wänden eine Trainingseinheit auf dem Home-Trainer absolvierte. Da kam er mächtig ins Schwitzen, nicht aber außer Atem, was für seinen guten Trainingszustand spricht.

Nach einem kurzen Chat mit Marathon-As Hendrik Pfeiffer kam Amanal Petros ins Bild. Der 24-jährige Langstreckler des TV Wattenscheid berichtete, dass er ganz schön erschöpft sei, denn er habe gerade die 31,2 Kilometer lange Strecke des Hermanns-Laufes in 1:43:17 Stunden zurückgelegt. Damit blieb er auf der hügeligen und anspruchsvollen Strecke deutlich unter der letztjährigen Siegerzeit von Elias Sansar (LG Lage/Detmold/ Bad Salzuflen, 1:44:54 Std.). Mit gebührendem Abstand wurde Deutschlands schnellster Marathonläufer des letzten Jahres dabei von seinem Freund Marius Güths auf dem Fahrrad begleitet. „Nach der wettkampflosen Zeit in den letzten Monaten, wollte ich wieder einmal schnell laufen. Für meinen Sololauf wählte ich die Strecke vom Hermannslauf aus, denn sie ist für mich die schönste im Teutoburger Wald", erklärte der gebürtige Eritreer, der seit 2012 seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat.

Bis zu 200 Kilometer pro Woche im Höhentrainingslager

Mit seinem schnellen Leistungstest auf dem kräftezehrenden Parcours zeigte sich Amanal Petros sehr zufrieden, denn er ist in den letzten Wochen nur noch nach Lust und Laune gelaufen. Lediglich 50 Kilometer kamen dabei pro Woche zusammen. Zum Vergleich: Bei seinem Höhentrainingslager in Kenia, das er Mitte März wegen der Corona-Gefahr vorzeitig abbrechen musste, waren es wöchentlich bis zu 200 Kilometer.

Amanal Petros kündigte an, dass in sein Training bald wieder eine Normalität einkehren wird und er aufgrund einer Sonderregelung unter bestimmten Auflagen die Vorzüge des Olympiastützpunktes in Bochum-Wattenscheid wieder nutzen kann. Dann wird auch sein Tagesablauf wieder strukturierter werden, denn in den letzten Wochen ging er meist erst um 2:00 Uhr ins Bett und stand bereits um 8:00 Uhr wieder auf. „Wenn der Wettkampfbetrieb wieder los gehen wird, brauchst du natürlich wesentlich mehr Schlaf", riet ihm Jan Fitschen.

Während der Talk-Runde stellte nicht nur der 28-fache deutsche Langstreckenmeister die Fragen, sondern auch die mehr als hundert Teilnehmer im Chat-Room hatten die Möglichkeit, sich per schriftlicher Wortmeldung an dem Gespräch zu beteiligen. Amanal Petros nahm die Gedankenanstöße dankend auf. So berichtete er unter anderem, dass er in jungen Jahren eine sechs Kilometer lange Strecke zur Schule laufen musste, sodass er bereits in seiner Kindheit und Jugend über jede Menge Ausdauer verfügte.

Optimale Bedingungen beim TV Wattenscheid

Der gebürtige Ostafrikaner schwärmte darüber hinaus von den optimalen Bedingungen, die er seit 2019 beim TV Wattenscheid genießt und von seiner tollen Trainingsgruppe, in der alle motiviert bis unter die Haarspitzen sind. Für ihn gibt es zudem keinen besseren Coach als Tono Kirchbaum, der mit seinem Heimtrainer und Förderer Thomas Heidbreder optimal zusammenarbeitet.

Amanal Petros bestätige die in Läuferkreisen kursierende Gerüchte, dass er bei einer 1.000-Meter-Einheit während des DLV-Höhentrainingslagers in Kenia Mo Farah (Großbritannien) einmal „stehen“ ließ. Der Doppel-Olympiasieger von London und Rio schien dies als Majestätsbeleidigung aufzufassen, sodass er am darauffolgenden Tag bei einem äußerst flotten 30 Kilometer-Trainingslauf (Durchschnitt 3:25 Min./km) die bisherige Rangordnung wiederherstellte.

Gesprächsthema war auch der Marathonlauf am 1. Dezember 2019 im spanischen Valencia. Amanal Petros berichtete, dass er sich aufgrund seiner exzellenten Verfassung und des optimalen Rennverlaufs bereits bei 26 Kilometer ziemlich sicher war, dass er die Olympianorm von 2:11:30 Stunden schaffen würde. Im Ziel blieben die Uhren für ihn bekanntlich bei 2:10:28 Stunden stehen.

Nicht nur Jan Fitschen, der sich bis zum Ende des einstündigen Talks fleißig auf seinem Hometrainer abstrampelte, sondern auch Amanal Petros, der schon den Hermannslauf in den Beinen hatte, wurde während der virtuellen Begegnung noch körperlich gefordert. Er demonstrierte einige Übungen auf dem Balance Board, das wie ein Surfbrett mit einer Rolle aussieht. Das Trainingsgerät stärkt vor allem die Koordination, dient zur Kräftigung der Fußmuskulatur und fördert den Gleichgewichtssinn. Jan Fitschen zeigte sich begeistert: „Mit dem Brett kann man ein super Stabilisationstraining durchführen. Das werde ich mir auch kaufen.“

Mit der Talkrunde schuf Jan Fitschen ein Format, das informativ, unterhaltsam, witzig und recht kurzweilig war. Zu Zeiten von Sozial Distancing und Mundschutz schuf es eine Verbindung zwischen den Langstrecklern, und das Angebot wurde dankbar aufgenommen. Dies beweist die Zahl von weit über 100 Teilnehmern im Chatroom. Es lohnt sich also, einmal etwas Neues auszuprobieren. Man darf nun auf die nächsten Gespräche, die Jan Fitschen mit Hendrik Pfeiffer und Frank Busemann plant, gespannt sein.