Vor drei Jahre entdeckte die jetzige Zehntklässlerin des Grabbe-Gymnasiums in Detmold den Stabhochsprung für sich. Bereits in ihrem ersten Jahr verblüffte sie mit der Höhe von 3,31 Meter, mit der sie in der Klasse W13 eine neue westfälische Höchstleistung aufstellte. Über 3,42 Meter im vergangenen Jahr ist sie nun bei 3,63 Meter angelangt. Bei den westfälischen Hallenmeisterschaften in Dortmund sicherte sich mit 3,50 Metern den Vizetitel hinter ihrer Vereinskameradin Maybritt Sommer.
Mirja Gutzeit ist ein Bewegungstalent, hochbegabt und ehrgeizig. Ihren rasanten Aufstieg verdankt sie ihrer Ausbildung als Kunstturnerin. 2012 begann sie in der Turnabteilung des TuS Helpup und wechselte kurze Zeit später ins Detmolder Turnleistungszentrum. Sie gewann mehrere Landesmeisterschaften und sogar die inoffizielle deutsche Meisterschaft im Mehrkampf. Ihre Lieblingsgeräte waren der Stufenbarren und der Schwebebalken.
Turnen bietet beste Voraussetzung für Höhenflüge
Dass Mirja Gutzeit bereits mit fünf Jahren zum Turnen fand, war kein Zufall, denn ihre Mutter Stefanie Gutzeit (geb. Tautz) war in den 1980er Jahren in dieser Sportart mehrfache deutsche Meisterin und startete auch international. Auch ihre fünf Jahre ältere Schwester Kaja war eine erfolgreiche Leistungsturnerin.
Tochter Mirja wollte einen ähnlichen Weg einschlagen. Sie freute sich daher, als sie einen Platz im Sportinternat in Köln erhielt. Doch bereits nach sechs Wochen kehrte sie wieder zurück nach Heiligenkirchen, wo sie mit ihren Eltern und ihren beiden Schwestern Xenia und Kaja wohnt. „Mir hat das Turnen sehr viel Freude bereitet, aber ich bin ein Familienmensch, sodass ich mich in Köln nicht wohlgefühlt habe. Hinzu kam, dass im Sportinternat alles streng reglementiert war und der Trainingsaufwand 25 Stunden pro Woche betrug“, begründet Mirja ihre Entscheidung.
Ein Leben ohne Sport – das ging für die talentierte Athletin jedoch überhaupt nicht. Ihre Mutter suchte nach einer Alternative für ihre Tochter und erhielt von Wilfried Starke einen Tipp. Der frühere Vorsitzende der LG Lippe-Süd schlug vor, einmal bei der Stabhochsprung-Gruppe von Olaf Hilfer vorbeizuschauen. Mirja nahm mit ihrer Mutter den Ratschlag dankend an, denn keine andere leichtathletische Disziplin profitiert so sehr vom Turnen wie der Stabhochsprung. „Durch meine turnerische Vergangenheit habe ich in der Leichtathletik sehr schnell Anschluss gefunden, obwohl Laufen und Springen nicht unbedingt meine Stärken waren. Durch mein geschultes Körpergefühl und meine vielfältigen Bewegungserfahrungen behielt ich jedoch auf Anhieb die Kontrolle in der Luft und konnte dadurch vieles ausgleichen“, erläutert die hoffnungsvolle Höhenfliegerin von Olaf Hilker.
Videoanalyse als probate Trainingshilfe
Mirja Gutzeit fasziniert beim Stabhochsprung das Überwinden der Schwerkraft immer wieder aufs Neue. Allerdings gibt es für sie einen Unterschied zum Turnen: „Beim Stabhochsprung spielt nicht nur die eigene Kraft, sondern auch die Dynamik, die vom Stab kommt, eine leistungsbestimmende Rolle. In dieser Disziplin müssen in Bruchteilen von Sekunden viele Bewegungen fast gleichzeitig miteinander koordiniert werden – vom Augenblick des Einstichs bis zum Fallenlassen auf die Sprungmatte.“
Die 15-Jährige ist daher auf die Hilfe von außen angewiesen: „Die Schnelligkeit des Bewegungsablaufs macht es auch recht schwierig, Korrekturen vorzunehmen. Daher ist es hilfreich für uns, dass unser Trainer Olaf Hilker unsere Sprünge bei Wettkämpfen und im Training per Video aufnimmt und sie anschließend mit uns analysiert.“
Trotz ihrer diesjährigen Bestleistung von 3,63 Meter und ihres zweiten Platzes in der DLV-Bestenliste befindet sich die Stab-Artistin erst am Beginn einer erfolgreichen Karriere – und sie hat noch jede Menge Luft nach oben. Auch ihren Trainingsumfang hat sie noch nicht ausgereizt. Die Gymnasiastin trainiert aktuell „nur“ viermal in der Woche. Unter der Anleitung von Olaf Hilker absolviert sie ein vielseitiges Training, das nicht nur aus Sprüngen, sondern auch aus Stabilisationsübungen, Gymnastik, Krafteinheiten und natürlich auch Turnen besteht. Insgesamt kommt sie auf einen wöchentlichen Umfang von zehn bis zwölf Stunden. Zum Vergleich: Beim Turnen waren es 25 Stunden.
U18-EM in Jerusalem als großes Ziel für 2022
Die 1,63 Meter große Stabhochspringerin, die im vergangenen Jahr einen deutlichen Wachstumsschub (sieben Zentimeter) machte, feierte ihren bisher größten Erfolg bei den deutschen U16-Meisterschaften in Hannover, als sie nach übersprungenen 3,30 Meter Bronze in Empfang nehmen konnte.
Für das anstehende Wettkampfjahr hat sich Mirja Gutzeit die Teilnahme an den U18-Europameisterschaften (4. - 7. Juli 2022 / Jerusalem) zum Ziel gesetzt. Dafür muss sie die Qualifikationshöhe von 3,80 Meister meistern und in Deutschland zu den besten zwei Springerinnen zählen. Noch in der Jugendklasse, der sie bis 2025 angehört, möchte sie die markante Höhe von vier Metern in Angriff nehmen.
Über das Jahr 2025 hinaus plant sie noch nicht, denn die junge Sportlerin ist auch eine leistungsstarke Schülerin. So hatte die Zehntklässlerin in ihren vergangenen beiden Zeugnissen einen Einser-Notendurchschnitt. Ihre Lieblingsfächer sind Biologie, Chemie und Mathematik. Die Natur und die Zahlenwelt bilden für sie eine interessante Verknüpfung. Als Ausgleich zur Schule und zum Stabhochsprung spielt Mirja Gutzeit gern Golf oder sucht weitere Herausforderungen beim Klettern. Ihr Großvater, der erfolgreicher Golfer ist, begeisterte seine Enkelin schon früh für die Rasensportart. Bereits mit sieben Jahren erhielt sie die Platzreife. Mirja Gutzeit wäre sicherlich auch in vielen anderen Sportarten erfolgreich, doch ihr Herz schlägt in erster Linie für den Stabhochsprung. Einer Leidenschaft, die sie weiter treu bleiben wird, verspricht sie.
Auf ihrem Weg ins Leistungssportleben fördert der FLVW die vielversprechenden Nachwuchstalente. Eine Förderung, die vor allem dank der Kooperation des Verbandes mit seinem Partner goldgas möglich ist. Die Unterstützung ermöglicht es der westfälischen Leichtathletik, jährlich das „goldgas Talent-Camp“ durchzuführen. Über vier Tage werden Nachwuchsathletinnen und -athleten getestet, Leistungsdiagnosen erstellt und für die weitere Förderung ausgewählt. Diese besteht aus den Lehrgängen des „goldgas Talent-Teams“. Hier werden die jungen Sportler*innen an den Leistungssport herangeführt. Neue Vorschläge von den Kadertrainer*innen und Einheiten zum Leistungssportleben sind wie moderne Trainingsbedingungen die Vorzüge der Kooperation.