„Für mich kam diese Zeit zum Saisonausklang überraschend, aber sie war nicht abwegig, denn ich hatte zuvor schon eine Bestleistung von 12,18 Sekunden“, erläutert die neue westfälische Sprinthoffnung, die vom erfahrenen FLVW-Landesdisziplintrainer Dieter Rotter behutsam aufgebaut wird.
Trotz ihrer Superzeit von Lage hat Anne Böcker noch längst nicht ihre Möglichkeiten ausgereizt. „Mein Start und meine Lauftechnik sind noch ausbaufähig, aber ich will nichts überstürzen, denn ich bin ja noch jung“, betont die pfeilschnelle Gymnasiastin. Dass sie jetzt schon mit ihren 12,14 Sekunden die DLV-Bestenliste in den Klassen W14 und W15 anführt, bildet für sie kein Grund zum Abheben, denn sie weiß, dass es für sie noch ein langer Weg bis zur Frauenklasse ist.
Aus dem Oberbergischen nach Olpe
Ihr Herz für die Leichtathletik entdeckte Anne Böcker mit acht Jahren über ihre drei Jahre ältere Schwester Lina. Ihr Vater Ralph, der früher einmal ein leistungsstarker 400-Meter-Läufer war, hatte Annes Sprinttalent schon vorher erkannt. Doch bevor sich die damalige Grundschülerin, die in ihrer Schulklasse auch schneller als alle Jungen war, auf den Sprint spezialisierte, ging sie beim TuS 06 Waldbröl auf Entdeckungstour. „Ich habe praktisch bis auf Hammerwerfen und die längeren Strecken alles ausprobiert, was die Leichtathletik so anbietet. Erst vor drei Jahren habe ich mich weitgehend auf den Sprint fokussiert“, berichtet die Athletin von Dieter Rotter.
Allerdings mag die junge Sprinterin gelegentlich auch einmal die Abwechselung. So forderte sie bei den westfälischen Jugendmeisterschaften in Lage die etablierte Konkurrenz im Speerwerfen heraus und gab mit respektablen 30,52 Meter den Spezialistinnen das Nachsehen. „Ich habe mir bei den Kreismeisterschaften einmal einen Speer geschnappt und habe einfach mitgemacht. Das hat bei mir sofort recht gut geklappt. Wie lange ich noch werfen werde, kann ich nicht sagen, denn der Sprint hat bei mir absoluten Vorrang“, betont Anne Böcker, die sportliche Erfahrungen auch schon beim Fußball, Basketball, Voltigieren und im Wintersport gesammelt hat.
Die Waldbrölerin, die vor vier Jahren aus sportlichen Gründen aus dem Oberbergischen zum Ski-Club Olpe wechselte, hat vor wichtigen Leichtathletik-Wettkämpfen kein bestimmtes Ritual. Allerdings achtet sie immer darauf, dass sie tags zuvor rechtzeitig ins Bett geht und am Veranstaltungstag zum Frühstück Haferflocken isst. Trotz ihres hohen Leistungsniveaus kommt Anne Böcker mit höchstens vier Einheiten pro Woche aus. Dabei achtet ihr Trainer Dieter Rotter bei ihr vor allem auf Vielseitigkeit und altersgemäße Belastungen.
Pferdesport als Abwechslung
Anne Böcker besucht die neunte Klasse des Hollenberg-Gymnasiums in Waldbröl. Ihre Lieblingsfächer sind Sport, Englisch und Astronomie. Dass sie sich mit den Himmelskörpern, deren Entstehung und deren Bewegungen beschäftigt, ist kein Zufall, denn am Hollenberg-Gymnasium hat die Astronomie dank des großen Engagements von Schulleiter Frank Bohlscheid einen hohen Stellenwert. Spätestens um 13:40 Uhr ist Schulschluss, sodass sie anschließend noch genügend Zeit hat, um sich ein wenig zu entspannen und ihre Hausaufgaben zu erledigen, denn das Training in Olpe beginnt für sie erst um 17:30 Uhr. Meist um 20:15 Uhr ist sie wieder zuhause.
Trotz ihrer großen Liebe zur Leichtathletik ist sie auch manchmal froh, dass sie einen trainingsfreien Tag hat. Den nutzt sie dann zum Reiten. Die Liebe zu den Vierbeinen teilt sie mit ihrer Mutter und auch mit ihrer Schwester Lina, die sich inzwischen ganz dem Pferdesport verschrieben hat.
Anne Böcker hat sich für 2022 große Ziele gesetzt. Neben einer 100-Meter-Zeit unter zwölf Sekunden möchte sie bei den deutschen U16-Meisterschaften 2022 bei der Medaillenvergabe auf der kurzen Sprintstrecke und auch in der 4x100-Meter-Vereinsstaffel ein ernsthaftes Wort mitsprechen. Der Durchbruch ist ihr in diesem Jahr gelungen. Darauf kann sie 2022 aufbauen.
Auf ihrem Weg ins Leistungssportlerleben fördert der FLVW die vielversprechenden Nachwuchstalente. Eine Förderung, die vor allem dank der Kooperation des Verbandes mit seinem Partner goldgas möglich ist. Die Unterstützung ermöglicht es der westfälischen Leichtathletik, jährlich das „goldgas Talent-Camp“ durchzuführen. Über vier Tage werden Nachwuchsathletinnen und -athleten getestet, Leistungsdiagnosen erstellt und für die weitere Förderung ausgewählt. Diese besteht aus den Lehrgängen des „goldgas Talent-Teams“. Hier werden die jungen Sportler an den Leistungssport herangeführt. Neue Vorschläge von den Kadertrainern, Einheiten zum Leistungssportlerleben sind wie moderne Trainingsbedingungen die Vorzüge der Kooperation.