„Erst waren meine beiden Kater beleidigt, aber jetzt sind wir wieder ein Herz und eine Seele“, freut sie sich darüber, dass sie wieder ein Zimmer für sich hat und erzählt: „Wir waren mit sechs Mädchen in einem Appartement in sauberen Zweibettzimmern untergebracht. Die hygienischen Verhältnisse waren in Ordnung, nur aus unseren Duschen kam nur kaltes Wasser. Wir waren neidisch auf die Turner, denn die hatten warmes Wasser. Zwar hätten wir ein paar Stockwerke tiefer zu ihnen gehen können, aber das wollten wir auch wieder nicht“, lacht sie.
Spannend wurde es, als die Kontrolleure der NADA bemängelten, dass Gina Lückenkempers Appartementsnummer nicht im EDV-System enthalten war und damit drohte, sie als „missing“ (nicht anwesend) einzutragen. Gina Lückenkemper konnte zwar nachweisen, dass sie in ihrer Anmeldung alles korrekt angegeben hatte, aber erst nach zwei Tagen und Einschaltung der Mannschaftsleitung wurde das Problem beseitigt.
„Auch die Verpflegung war ganz okay“, befand die LGOerin. Es gab Mahlzeiten aus allen Erdteilen und als „europatypisch“ wurden in der großräumigen Mensa Pizza und Nudeln angeboten. Als sie sich einmal bei einer Fast-Food-Kette Abwechslung gönnen wollte, stand dort eine lange Schlange, sodass sie letztendlich entnervt aufgab. Aber zum Glück liefen ihr die deutschen Werfer über den Weg, die geduldiger gewesen waren und die Sprinterin nun großzügig in ihre Nuggets-Tüten greifen ließen und auch von den Burgern abgaben, um sie vor dem „Hungertod“ zu retten.
Brasilianer waren freundlich und hilfsbereit
Während der sieben Tage bis zu ihrem Wettkampf trainierten die Athleten auf einem Sportplatz der brasilianischen Luftwaffe, hatten aber dennoch etwas Freizeit, während der sie unter anderem die Beach-Volleyballer besuchten. Aber erst nach dem Staffelfinale konnten sie auf den Zuckerhut schweben. „Wir kamen stets dahin, wo wir wollen, und ich habe mich immer sicher gefühlt,“ sagt Lückenkemper und fügt hinzu: „Außerhalb des Stadions waren die Brasilianer immer freundlich und sehr hilfsbereit.“
Beim Betreten des Callrooms flüsterte ihr eine deutsche Volonteer zu: „Hau einen raus Gina. Das hat mich sehr gefreut und etwas beruhigt, aber es war ein unbeschreibliches Gefühl, als wir zu unserem 200-Meter-Vorlauf vom dunklen Callroom das helle Olympia-Stadion betraten, und ich dachte: Da stehe ich nun als kleines Mädchen aus der Soester Börde als Teilnehmerin an den olympischen Spielen“, erzählt die Sprinterin. Aber ihr Selbstbewusstsein kehrte rasch zurück, als sie sich eine Bahn hinter der 100-Meter-Olympiasiegerin Elaine Thompson in den Startblock kniete- „Leicht will ich es dir nicht machen,“ nahm sie sich vor. Sie preschte kraftvoll durch die Kurve und bog tatsächlich vor der Jamaikanerin auf die Zielgerade ein, ehe diese den Turbo zündete. „Es kann nicht jede sagen, dass sie die Goldmedaillen-Gewinnerin herausgefordert hat,“ freut sie sich diebisch. Immerhin reiste sie als 20. der Weltrangliste nach Rio und kämpfte sich auf Platz 14 vor.