War beim Auftakt die Integration von Flüchtlingen der Aufhänger, so stand am 26./27. November das Thema „Die Strukturen der Vereine und Verbände – sind sie noch zeitgemäß oder müssen sie zukunftsorientiert verändert werden?“ im Blickpunkt. Länderübergreifend wurden dazu an den zwei Tagen die Schwerpunkte „Vereinskultur - Vereinsstruktur - Politische Rahmenbedingungen“ aufbereitet, diskutiert und Ergebnisse erarbeitet. Gekommen waren Gäste aus Rumänien, Bulgarien, Polen, den Niederlanden, aus der Politik, von verschiedenen Sportbünden und Vereinen. Tenor am Ende der zweitägigen Veranstaltung, die von Holger Vetter (Gütersloh) fachkompetent moderiert wurde: „Wir nehmen konkret verwertbare Impulse mit und können entsprechende Hilfestellungen und Handlungsempfehlungen an Vereine, Verbände und die Politik auf dem Weg in die Zukunft geben“, brachte es FLVW-Präsident Gundolf Walaschewski auf einen Nenner. Und seine Feststellung: „Es gibt sie noch die Ehrenamtler und die Bereitschaft ist da, etwas zu tun.“
In den Grußworten zu Beginn der Veranstaltung brachte Hermann Korfmacher, FLVW-Ehrenpräsident und Geschäftsführer „sports for europe“ (SFE), den Wunsch zum Ausdruck, dass der Europäische Sportdialog „uns alle beflügeln soll. Wir brauchen Kooperationen“, und er rief zur Mitgestaltung dazu auf. FLVW-Präsident Gundolf Walaschewski wünschte sich angesichts des demografischen Wandels in der Gesellschaft, dem veränderten Freizeit- und mangelnden Bindungsverhalten viele Ideen, um zumindest die vorhandenen Strukturen zu etablieren und zeitgemäß anzupassen NRW-Sportministerin Christina Kampmann übermittelte in einer Videobotschaft die Hoffnung auf ein sportliches Zusammenrücken und eine zukunftssichere Aufstellung der Vereine. Michael Makiolla, Landrat des Kreises Unna, plädierte für weiterhin ungebrochenes bürgerschaftliches Engagement und unterstrich die große Bedeutung der Vereine als unverzichtbaren Teil der Gesellschaft. LSB-Präsident Walter Schneeloch stellte vor allem die Frage in den Raum, welchen Bedarf die Mitglieder in den Vereinen haben, sie an Zielorientierungen zu beteiligen und eine klare Programmatik aufzustellen - dabei aber auch die eigenen Strukturen zu analysieren.
Vereine bieten die Möglichkeit, preiswert Sport zu treiben
In seinem Impulsvortrag referierte Professor Dr. Christoph Breuer von der Sporthochschule Köln über die allgemeine Lage der Sportvereine in Deutschland und nahm Ausblick in andere Länder. An den Anfang stellte er die Frage: Wozu Sportentwicklungsberichte? Die Antwort lieferte er prompt, indem Sportpolitik, -verwaltung und -verbände Informationen zur Reflexion und zur Planung ihrer Aktivitäten brauchen. Bei der Gemeinwohleinstellung der Sportvereine steht das Vermitteln von beispielsweise Fairplay und Toleranz obenan. Vereine bieten zudem die Möglichkeit, preiswert Sport zu treiben. Jeder dritte Sportverein kooperiert mit einer Schule, jeder Sechste mit einem Kindergarten. Die Hauptrolle der Vereine besteht laut Professor Breuer in der Gewinnung und Bindung von Ehrenamtlichen und Funktionsträgern. Mit Blick auf andere Länder zeigen sich deutliche Unterschiede. So haben beispielsweise nicht alle Ausbildungskonzepte. Personell steht Deutschland gut da, auch was die Sportstätten anbelangt.
Jugend sieht sich in erster Linie als Kunde und nicht als Mitglied
Berend Rubingh, Hochschuldozent an der Universität Groningen/Niederlande, machte in seinem Impulsvortrag „Back to the roots – Vereinskultur“ deutlich, dass der Unterschied der Generationen größer werde. Die Jugend wisse nichts mehr von der Kernidee der Vereine. Sie sehen sich nicht als Mitglieder, sondern in erster Linie als Kunden. Mit Hilfe moderner Technologien (Digitalisierung) bieten sich seiner Meinung jedoch Zukunftschancen. „Wenn wir über die Zukunft sprechen“, sagte er, „dann muss man Jüngere mit in die Vereinsarbeit einbinden. Eine Balance finden zwischen Alt und Neu. Gutes – wenn auch alt – nicht wegwerfen, offen sein für Neues.“ Vor allem solle man den Menschen in den Mittelpunkt stellen. „Sie sind der Verein.“ Vermittelt werden müsse, dass man dazu gehört, dann würde auch die Bereitschaft zur Mitarbeit im Verein wachsen.
Die Vereine TuS Ost Bielefeld und Roter Stern Leipzig veranschaulichten beim Tagesordnungspunkt „Best practice“ Schwerpunkte ihrer Vereinsarbeit. Die Strategie, sich sozial zu engagieren, eint beide Clubs. Der Schwierigkeit, alle Mitglieder mitzunehmen, begegnet man in Bielefeld mit Kooperationen. In Leipzig wurde der Club 1999 gegen ein geschichtliches Klima von Rechts gegründet. Er hat sich auf Fahnen geschrieben, alle Vereinsbeschlüsse im Konsens zu fassen unter der Prämisse, Strukturen zu schaffen statt aufzubrechen. Dazu wurde ein wöchentliches Plenum eingerichtet, wo auch Jugendliche an der Plenumsstruktur mitwirken.
Deutliche Unterschiede zwischen den Ländern
Bei den Vorträgen aus den Gastländern wurden die Unterschiede deutlich herausgearbeitet. So ist Sport in Polen zentral unter „Bildung“ angesiedelt. Von diesem „Topf“ entfallen 36 Prozent auf den Sport. Es gibt wenig Geld für die Ehrenamtsarbeit, Sport, Tourismus und Freizeit.
Im Kreis Bacau/Rumänien sind zahlreiche Projekte für den Jugendfußball geschaffen worden. Exemplarisch hierfür: der Kauf eines Busses als „Mobilitätsprojekt“ für Kinder. Der Bau von Kunstrasenplätzen nimmt gerade erst seinen Anfang.
Im bulgarischen Fußballverband wurden im Kommunismus die Vereine noch gefördert; nach dem Zusammenbruch des „Ostblocks“ zunächst nicht mehr. Das hat sich nun geändert. Jetzt gab es erstmals wieder eine Zuwendung für die Jugendarbeit. Dabei hilft der Deutsche Fußball-Bund (DFB) aktiv mit.
Ausblick und Perspektiven
Der Mescheder Michael Lichtnecker, jüngst auf dem DFB-Bundestag 2016 als Ausschuss-Vorsitzender für den Freizeit- und Breitensport gewählt, sah bei der Veranstaltung keine Selbstdarsteller, registrierte beeindruckende Antworten auf die Fragen der Leitthemen und bezeichnete die Chancensuche auf hohem Niveau. „Wir können viel an die Vereine und die Politik weitergeben. Die beiden Tage waren ein Erfolg“, sein Fazit. Dem schloss sich Kim Weidig, SFE-Mitarbeiter und Organisator der Veranstaltung, an.
FLVW-Präsident Gundolf Walaschewski bekannte, dass ihm die Vereinsarbeit bei den Leitthemen bewusster geworden sei. Jetzt solle man über Vereinsdialoge nachdenken. Auch der Verband müsse sich dabei positionieren und an den richtigen Stellschrauben drehen. Aus den vielen Ideen, die beim 2. Europäischen Sportdialog auf den Tisch kamen, müsse sich ein Masterplan entwickeln. „Dort werden wir entsprechende Hilfestellungen und Handlungsempfehlungen an Vereine, Verbände und die Politik auf dem Weg in die Zukunft geben.“ Sein Versprechen: „Die Vereine werden von uns hören.“
Bildzeile: Von links: Adrian Paduraru (AJF Bacau), Prof. Dr. Christoph Breuer (DSHS Köln), Sorin Ordeianu (AJF Bacau), Michail Kassabov (Bulgarischer Fußballverband),FLVW-Präsident Gundolf Walaschewski, Michael Makiaolla (Landrat Kreis Unna), Prof. Dr. Aldona Wiktorska-Swiecka (Universität Breslau), Berend Rubingh (KNVB), WDFV-Präsident Hermann Korfmacher, Rainer Stratmann (Kreisdirektor a.D.), LSB-Präsident Walter Schneeloch, Christian Sava (Präsident AJF Bacau) und Andreas Kimpel (Beigeordneter Stadt Gütersloh).