Wolf-Dieter Poschmann zum 70. Geburtstag: Ruhestand genießen

30 Jahre hat Wolf-Dieter Poschmann die Sportsendungen im ZDF entscheidend mitgeprägt - als Moderator des „Aktuellen Sportstudios“, als Hauptabteilungsleiter Sport und zuletzt als Chefreporter Sport. Am 22. Mai feiert der ehemalige Langstreckler, der 1973 deutscher Vizemeister im Marathonlauf wurde, seinen 70. Geburtstag. Wolf-Dieter Poschmann startete während seiner aktiven Zeit unter anderem für den TV Wattenscheid.

Der Fachmann für Leichtathletik, Fußball, Triathlon und Eisschnelllauf, der mit Leib und Seele Journalist war, berichtete von 1988 bis 2016 unter anderem von acht Olympischen Sommer- und sechs Olympischen Winterspielen. Eine hohe Wertschätzung und ein großes Vertrauen wurden ihm zuteil, als er innerhalb dieses Zeitraums für das ZDF fünfmal die Eröffnungs- und zweimal die Abschlussfeier kommentieren durfte. Das war für ihn trotz der Unterstützung durch Sprecherkolleginnen und -kollegen sowie durch bekannte Sportgrößen immer eine große Herausforderung. Die Vorbereitungen auf die meist zweistündigen Übertragungen erstreckten sich meist über Wochen und waren nur im Team zu erledigen.

Wolf-Dieter Poschmann ging bei den Eröffnungsfeiern immer mit einem Stapel von Karten ins Stadion. Zu seinem großen Schreck wären ihm diese wichtigen Unterlagen 2012 bei den Olympischen Spielen in London auf einem nicht überdachten Kommentatoren Platz beinahe weggeflogen, als plötzlich ein Schauer mit kräftigen Böen aufzog. Dies wäre der GAU für ihn gewesen.

Nils Schumanns Olympiasieg war emotionalste Moment

Emotional tief beeindruckt war Wolf-Dieter Poschmann vor allem von der Eröffnungsfeier bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta, als Box-Legende Muhammad Ali, schon schwer gezeichnet von seiner Parkinson-Erkrankung, mit zittriger Hand die Fackel entgegennahm und die olympische Flamme entfachte. Dieser ergreifende Moment wird Wolf-Dieter Poschmann immer in Erinnerung bleiben genauso wie der Augenblick, als Nils Schumann (SV Creaton Großengottern) bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney im 800 Meter-Finale nach einer taktischen Meisterleistung in 1:45,08 Minuten den damaligen Weltrekordler Wilson Kipketer aus Dänemark (1:45,14) und den Algerier Djabir Said-Guerni (1:45,16) auf der Zielgeraden völlig überraschend niederrang und damit das erste Olympia-Gold auf der Zwei-Runden-Distanz für Deutschland gewann. „Diese Sensation hatte für mich auch eine persönliche Note, weil ich im Vorfeld von Sydney einen längeren Beitrag über Nils Schumann zusammengestellt hatte. Dafür war ich drei Tage bei ihm in Erfurt, sodass sich damals ein freundschaftliches Verhältnis zwischen uns entwickelte. Als er dann Olympiasieger wurde, war ich so ergriffen, dass mir die Stimme wegbrach, und ich für kurze Zeit mein Mikrophon ausschalten musste“, erinnert sich der langjährige Sportkommentator des ZDF.

Der Triumph von Nils Schumann war damals auch für die TV-Zuschauer ein emotionaler Moment, denn Wolf-Dieter Poschmann verstand es wie kaum ein anderer, mit seiner unübertroffenen Leidenschaft die Atmosphäre im Stadion auch an heimischen Bildschirmen spürbar zu machen.

Der Mainzer bildete bei zahlreichen Leichtathletik-Highlights mit seinem Co-Kommentator Peter Leisl, der auch heute noch für das ZDF tätig ist, ein eingespieltes Duo.

Mehrfach zum TV-Journalisten des Jahres gewählt

1986 begann Wolf-Dieter Poschmann als freier Mitarbeiter beim ZDF. Einen steilen Karrieresprung machte er 1994, als er erstmalig das Aktuelle Sportstudio moderieren durfte. Bis 2011 war er 280 Mal Gastgeber in der Kultsendung des ZDF. Dabei erwarb er sich durch sein souveränes Auftreten große Anerkennung, sodass er mehrfach zum TV-Journalisten des Jahres gewählt wurde. 2011 wurde der profunde Kenner der Leichtathletik-Szene mit dem Medienpreis des Deutschen Leichtathletik-Verbandes ausgezeichnet. Dass er mit seinen Aussagen auch manchmal polarisierte, nahm er in Kauf.

Zu Wolf-Dieter Poschmanns Markenzeichen zählten auch seine Interviews, bei denen er schnell den Zugang zu den Sportlerinnen und Sportlern fand. Er konnte sich nämlich gut in ihre Mentalität hineinversetzen, weil er selbst aus dem Leistungssport kam. Zwischen 1973 und 1986 war der 15-fache Länderkampf-Teilnehmer fast bei allen deutschen Meisterschaften vertreten und kam dort auf den Langstrecken meist unter die ersten Fünf. Die beste Platzierung gelang ihm 1973, als er bei den deutschen Marathonmeisterschaften in Eschborn überraschend deutscher Vizemeister im Marathonlauf wurde.

Mit dem Wissen von heute hätte der Sieger von zahlreichen großen Straßenläufen, der während seiner aktiven Zeit für die LG Rheinberg, den TV Wattenscheid, die LG Jägermeister Bonn und den ASV Köln startete, damals einiges anders gemacht. „Ich habe im Nachhinein viel zu hart trainiert und den Wert der Erholung nicht hoch genug eingeschätzt. Wenn es richtig gut bei mir lief, dann habe ich am folgenden Tag meist noch härter trainiert. Dadurch habe ich mir 1976 im Marathonlauf die mögliche Teilnahme an den Olympischen Spielen in Montreal vermasselt.“

Gern gesehender Moderator in Westfalen

Bei seinen eigenen sportlichen Aktivitäten spielt der Leistungsgedanke für den Geburtstagsjubilar inzwischen keine Rolle mehr. Um weiter fit zu bleiben, joggt er noch, fährt Rad, trainiert im eigenen Fitnesskeller und spielt seit zehn Jahren Golf - allerdings nur alleine. Auf den Sport kann er nämlich nach so vielen ereignisreichen Jahren nicht verzichten - genauso wie auf seine bei Straßenläufen und Leichtathletik-Meetings allseits geschätzte Moderatoren-Tätigkeit. Es zog Wolf-Dieter Poschmann immer wieder zurück nach Westfalen. So war er in den letzten Jahren als Moderator „Stammgast“ beim Paderborner Osterlauf, beim Sparkassen Citylauf in Oelde und beim Indoor-Meeting in Dortmund.

Keine Probleme mit dem Ruhestand

Dass der frühere ZDF-Sport-Chef seit seiner Pensionierung im Jahr 2016 nicht mehr auf dem Bildschirm präsent ist, bildet für ihn dagegen kein Problem. Im Gegenteil: „Ich bin froh, dass ich nicht mehr jedes Wochenende oder wie früher bei internationalen Großereignissen sogar mehrere Wochen unterwegs bin. Nun genieße ich zusammen mit meiner Frau, die früher auf vieles verzichten musste, das Leben ohne jegliche zeitliche Zwänge.“

Bei den Übertragungen aus Tokio will er sich vor allem die Entscheidungen in seinen Lieblingssportarten Leichtathletik, Fußball und Triathlon ganz entspannt anschauen. Die Spiele aus dem Blickwinkel des TV-Zuschauers zu erleben, wird für ihn nach 30 Jahren ein ganz neues Gefühl sein.