Vortrag in Münster: "Medikament Bewegung hat nur positive Nebenwirkungen"

Älter werden ist nur dann schön, wenn es Spaß macht. Dr. Ralph Schomaker versuchte, bei seinem Vortrag im Februar zu dem Themenkomplex „Ist Sport Mord? Jeder Gang macht schlank? Effekte von Laufsport auf Gesundheit und Körpergewicht“ Wege aufzuzeigen, wie man auch im Alter noch über eine hohe Lebensqualität verfügen kann. Diese Veranstaltung in den Räumen der Westfälischen Nachrichten in Münster bildete den Auftakt einer fünfteiligen Vortragsreihe im Vorfeld des Volksbank-Münster-Marathons am 9. September.

Wenn man Seniorinnen und Senioren befragt, weshalb sie Sport treiben, spielen bei ihnen Gesundheitsaspekte in erster Linie eine Rolle, denn ihre Selbstständigkeit ist abhängig von ihrer Leistungsfähigkeit. „Sie möchten nämlich nicht, dass jemand für sie einkauft oder sie irgendwo hin chauffiert", betonte Dr. Ralph Schomaker.

Welche Faktoren beeinflussen unser Alter? Der Mediziner des Zentrums für Sportmedizin (ZfS) berichtete von einer Korrelationsstudie an 480 Menschen im Alter zwischen 85 und 105 Jahren mit einer zufällig ausgewählten Gruppe von 545 Leuten im Alter von 51 bis 54 Jahren. Dabei stellte sich heraus, dass das Lebensalter unter anderem genetisch beeinflusst wird. Wer alte Eltern hat, besitzt somit auch gute Voraussetzungen, ebenfalls alt zu werden. Weitere wichtige Größen für eine hohe Lebenserwartung bildeten bei den „Super-Seniors“ auch die körperliche und geistige Fitness, der Verzicht auf Alkohol und Nikotin, eigene Kinder und ein Elternstatus jenseits des 40. Lebensjahres.

„Daraus sollte man seine eigene Lebensführung ableiten", riet Dr. Schomaker. Zur Förderung und Stabilisierung der körperlichen und geistigen Fitness, gehört ein wohldosiertes Kraft- und Ausdauertraining, das auch Einfluss auf mentale Prozesse hat. So sind Läuferinnen und Läufer weniger dement oder leiden unter Depressionen. Dies gilt allerdings nicht für Hochleistungssportlerinnen und -sportler, bei denen man eine höhere Anzahl an Depressionen als in der übrigen Bevölkerung feststellt. Der frühere National-Torwart Robert Enke bildet da nur eine Speerspitze. Dass Sport in jeder Dosierung anti-depressiv wirkt, lässt sich nicht belegen. Ausdauersport ist in der Behandlung von Depressionen inzwischen aber zu einem wichtigen Pfeiler in der Therapie geworden.

Dr. Ralph Schomaker berichtete, dass es mehrere Studien gibt, die die Lebenserwartung von Sporttreibenden mit der von Nicht-Sporttreibenden verglichen haben. So liegen Freizeitjogger mit einem Plus von altersjustiert 2,6 bis 3,8 Lebensjahren deutlich über dem Bevölkerungsdurchschnitt.

Ein großes Problem ist, dass viele Leute an die pharmazeutisch erzeugte Gesundheit glauben. Wesentlich mehr kann man jedoch bei fast allen Erkrankungen durch körperliche Aktivitäten erreichen – auch vorbeugend. Lediglich bei einer schweren Depression ist die medikamentöse Behandlung effektiver als eine Bewegungstherapie. Allerdings ist dabei die Rückfallquote deutlich höher.

Bewegung reduziert das Krankheitsrisiko bis zur Hälfte

„Man sollte sich aufgrund der vielen positiven Effekte eines bewegungsaktiven Lebensstils mit Aussagen wie 'Sport ist Mord' oder 'Sport schadet der Gesundheit' extrem zurückhalten", forderte der Münsteraner Mediziner. Damit die Dosis wirkensbezogen ist, sollte man im Durchschnitt täglich als Minimum zehn Minuten Treppensteigen, 20 Minuten Laufen, 25 Minuten Gehen oder dieselbe Dauer Radfahren. Solch ein Pensum kann das Krankheitsrisiko bis zur Hälfte reduziert.

75,4 Prozent der Männer und 58,9 Prozent der Frauen sind in Deutschland übergewichtig (Body-Mass-Index über 25), da ist der Wunsch, durch Sport abzunehmen groß, doch die Erwartungen werden oft enttäuscht. Der durchschnittliche Mittel-Europäer kommt täglich auf circa 1.000 Schritte. Das sind nur 630 bis 730 Meter. Selbst, wenn der Übergewichtige seinen Aktionsradius auf 10.000 Schritte pro Tag erhöhen würde, würde das bei ihm nur zu einer geringfügigen Gewichtsreduzierung führen, wenn er nicht seine Ernährungsgewohnheiten verändert.

Nur durch eine Kalorieneinsparung in Verbindung mit einem Ausdauertraining kann man bis zu 13 Kilogramm im Jahr abnehmen. Wer vollkommen auf Fruktosesirup, Weizenmehlprodukte und raffinierten Zucker verzichtet, schafft sogar noch mehr. Dazu gehört aber viel Disziplin, denn Süßigkeiten machen süchtig und stimulieren das Essverlangen jenseits jeglicher Vernunft.

Muskeltraining spielt in der Präventiv-Medizin eine wichtige Rolle

Wer viel sitzt, sollte sich nicht nur ausreichend bewegen, sondern auch regelmäßig Kräftigungsübungen durchführen, denn die Muskulatur spielt in der Präventiv-Medizin eine wichtige Rolle. Sie ist nicht nur ein bedeutsamer Aminosäure-Speicher für alle Organe, sondern hilft auch, schwere gesundheitliche Probleme zu überwinden. So korrelieren die Überlebensraten bei Krebs, bei Verletzungen jeglicher Art, Herzerkrankungen, bei Aids oder bei einer Sepsis mit der Muskelmasse und -funktion. Ab dem 40. Lebensjahr verliert der Mann pro Lebensdekade sechs Prozent Skelettmusklatur. Bei den Frauen ist der Verlust etwas geringer. Viele meinen, dass dies ein Altersproblem sei, doch es hat noch einen anderen Grund. Die Mittel-Europäer, und das fängt schon bei vielen Kindern an, sitzen einfach zu viel. Das Bedenkliche: Die Sitzdauer eines Menschen korreliert mit 30 chronischen Erkrankungen.

Ein wohl dosiertes Krafttraining ohne Pressatmung erhöht in jedem Alter die Muskelmasse, erleichtert die Alltagsaktivitäten (auch bei Arthrose-Patienten) und verhindert die Sturzgefahr bei Senioren. So sollten auch Läuferinnen und Läufer regelmäßig in die "Mucki-Bude" oder entsprechende Übungen zuhause durchführen. "Damit kann man nicht früh genug beginnen", so Schomaker.