Die Olympischen Spiele werden verschoben. Danach sah es in den vergangenen Tagen nicht aus.
Peter Westermann: Mit so einer schnellen Entscheidung war nicht zu rechnen, nachdem vor einem Tag noch eine Frist von vier Wochen gesetzt worden war. Allerdings ist der Druck für die Verantwortlichen dann doch so groß geworden, dass man schon jetzt reagiert hat. Das ist im Sinne der Gesundheit von Athleten und Zuschauern absolut richtig, zudem wäre auch eine Chancengleichheit für alle Sportlerinnen und Sportler nicht gegeben gewesen. Für die Leichtathletik bedeutet diese Entscheidung, dass sowohl auf DLV- wie auch auf Verbandsebene mehr Spielraum gegeben sein wird, wenn Meisterschaften oder Veranstaltungen verschoben werden müssen. Zudem entfällt für die Top-Athleten jetzt auch die Ungewissheit, wann und wo man sich noch für die Spiele hätte qualifizieren können.
Die NRW-Meisterschaften am 29. März in Werl sind vor einigen Tagen gestrichen worden. Welche Titelkämpfe stehen in Westfalen in nächster Zeit noch zur Disposition?
Bernhard Bußmann: Im April stehen am 26.04. die NRW-Langstreckenmeisterschaften in Rheine auf dem Plan, im Mai am 03.05. das NRW-Team-Finale der Senioren in Iserlohn, dazu am 09.05. auf NRW-Ebene die NRW-Staffelmeisterschaften in Aachen. Hinter allen Veranstaltungen müssen wir ein dickes Fragezeichen setzen.
Bei den NRW- bzw. FLVW-Meisterschaften werden Qualifikationsnormen verlangt, die die Athletinnen und Athleten im Vorfeld aus Mangel an Gelegenheiten wahrscheinlich nicht erbringen können. Kann man ihnen dabei entgegenkommen?
Westermann: Wir müssen zunächst einmal sehen, wie es überhaupt weitergeht, sprich: wann überhaupt wieder der Trainingsbetrieb und in der Folge dann der Wettkampfbetrieb aufgenommen werden kann. Bei in Ermangelung an Wettkämpfen nicht zu erbringenden Qualifikationsleistungen wird die Kommission Wettkampforganisation dann auch im Sinne der Athleten entsprechende Regelungen treffen.
Werden die Meisterschaften, die in den nächsten Wochen ausfallen werden, komplett gestrichen oder sollen sie eventuell zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden?
Bußmann: Das ist derzeit noch alles offen. Das hängt sicherlich auch von der Anzahl der Meisterschaften ab, die ausfallen werden und ob es dann im Terminplan überhaupt noch Möglichkeiten gibt, diese unterzubringen. Es ist aber auch durchaus möglich, dass am Ende die eine oder andere Meisterschaft in diesem Jahr dann ersatzlos gestrichen werden muss.
Laufveranstaltungen, die für das Frühjahr terminiert waren, sind in den letzten Tagen zuhauf abgesagt worden. Was bedeutet solch eine Absage für den Veranstalter?
Westermann: Viele Vereine führen eine große Veranstaltung, oftmals im stadionfernen Bereich, einmal im Jahr durch. Das ist dann die wichtigste Einnahmequelle im gesamten Jahr und dient in der Regel dazu, dass der Verein davon einen großen Teil seiner Kosten für den Trainingsbetrieb, Anschaffung von notwendigen Sportgeräten etc. bestreitet. Ohne diese zusätzliche Einnahme müssen sich viele Vereine überlegen, wie sie noch über die Runde kommen.
Einige Veranstalter wie die des Paderborner Osterlaufs wollen in die Zeit nach den Sommerferien gehen. Dort sind die meisten Termine aber schon vergeben. Wird es da nicht zwangsläufig zu Konflikten kommen? Wird der FLVW dann ähnlich wie bei der Lauftagung dann die Koordination übernehmen?
Bußmann: Die alljährliche Lauftagung hat unter anderem die Aufgabe, eine für alle Vereine, die stadionferne Veranstaltungen durchführen, verträgliche Lösung zu finden. Dazu zählt u.a. auch der Gebietsschutz im Umkreis von 50 km. Gerade im Frühjahr finden in Westfalen sehr viele der über 300 jährlichen Veranstaltungen statt. Bei einer Verlegung von Veranstaltungen auf bereits ausgebuchte Termine kommt es zwangsläufig zu Konflikten. In dieser besonderen Situation ist aber die Solidargemeinschaft der Leichtathletikvereine und -abteilungen gefordert, dass es auch hingenommen wird, wenn in unmittelbarer Nachbarschaft dann eine Konkurrenzveranstaltung durchgeführt wird. Der FLVW wird natürlich die Koordination der Termine übernehmen und den Vereinen auch bei der Terminfindung helfen.
Auch viele Vereine, die stadionnahe Veranstaltungen im Frühjahr durchführen, werden bei einer Absage zeitlich in Schwierigkeiten kommen. Was kann man zum jetzigen Zeitpunkt diesen Vereinen raten?
Westermann: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir auch hier keine verlässlichen Aussagen machen, wann der Wettkampfbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Das kann Mai werden oder Juni oder noch später. Eine seriöse Aussage dazu kann niemand treffen. Immerhin kommen bei stadionnahen Veranstaltungen auch teilweise mehrere hundert Menschen zusammen, die Gefahr einer Infektion und damit die Weiterverbreitung des Virus ist enorm. In Baden-Württemberg sind jetzt schon alle Sportveranstaltungen, also nicht nur für die Leichtathletik, bis einschließlich 15. Juni untersagt. Mehr als abwarten ist derzeit nicht möglich.
Sportplätze und Hallen sind bis zum 19. April und eventuell darüber hinaus für den Trainings- und Wettkampfgebiet gesperrt. Was können Sie den Athleten und Trainern raten, um diese Schwierigkeiten zu überstehen? Was ist noch möglich?
Bußmann: Wir Leichtathleten sind es nicht gewohnt, ohne Ziele zu arbeiten, weder Athleteninnen und Athleten noch Trainerinnen und Trainer. Insofern ist die derzeitige Motivationslage bei allen Beteiligten sehr schwierig. Gerade jetzt, wo der Feinschliff für die Saison nach einem langen Wintertraining beginnen sollte, wird die Leichtathletik auf Stand-By zurückgefahren. Läufer können sich mit Dauerlaufprogrammen, die sie aber auch nur einzeln durchführen dürfen, über Wasser halten. Für Techniker, wie Stabhochspringer oder Hammerwerfer, fehlt aber das Sportgerät. Derzeit gilt es nur, sich noch einigermaßen fit zu halten, wobei es erstaunlich ist, welche Kreativität dabei Leichtathleten entwickeln, wenn sie Sprungtraining oder Circuit-Training im Garten oder Wohnzimmer machen. Es ist allerdings schon schlimm, wenn man derzeit an Leichtathletikanlagen vorbei kommt, die Sonne scheint und alles ist verwaist. Niemand ist dort derzeit aktiv. Im Sinne der Eindämmung der Verbreitung des Virus ist das aber unerlässlich und auch für jeden Leichtathleten nachvollziehbar.
Das Ende der Corona-Krise lässt noch nicht absehen. Sie wird – so sieht es zum jetzigen Zeitpunkt aus – wahrscheinlich auch langfristig Konsequenzen für unser Leben haben. Werden sich dann auch in der Leichtathletik die Koordinaten verschieben?
Westermann: Das ist derzeit auch nicht verlässlich zu sagen, ob und in welcher Form sich für die Leichtathletik die Vorzeichen ändern. Auszugehen ist davon aber, dass sich auch einiges ändern wird.
Wie geht es Ihnen persönlich in der augenblicklichen Situation?
Bußmann: Ich bin zunächst froh, dass eine mehr als zweiwöchige hartnäckige Erkältung bei mir allmählich abklingt. Der Fokus auf die Leichtathletik ist in den letzten Tagen, auch durch viele abgesagte Termine und Sitzungen, etwas herunter gefahren. Ich erkenne, dass es viel wichtigere Dinge als Leichtathletik und Sport gibt. Wichtig ist für mich erst einmal, dass dieser Virus sich nicht weiter verbreitet. Mich bedrückt auch, dass so viele Existenzen von Mitmenschen auf dem Spiel stehen. Die Probleme der Sportvereine sind für mich dagegen derzeit nur untergeordnet.
Westermann: Es ist schon eine denkwürdige Situation. Ich selbst fühle mich derzeit einigermaßen fit, lediglich mein Telefonohr weist Überlastungssymptome auf. In den letzten zwei Wochen waren Telefonkonferenzen die einzige Möglichkeit abgestimmte Entscheidungen zu treffen. Die Notwendigkeit der Maßnahmen steht für mich außer Frage. Gleichzeitig bekommt man durch die Situation eine neue Perspektive. Vielleicht liegt hierin eine große Chance für die Zukunft.