Fordern und fördern, trainieren und betreuen – die Aufgaben eines Kadertrainers im „goldgas Talent-Team“ sind genauso vielfältig wie die verschiedenen Disziplinen der Leichtathletik. Den jungen Nachwuchsathletinnen und -athleten die bestmögliche Unterstützung zu bieten, ist das Ziel der Maßnahmen. Erfahrene Kadertrainer sind dafür Pflicht. Thomas Stienemeier gehört definitiv dazu: Seit seinem 21. Lebensjahr trainiert er Leichtathleten als Verbandstrainer des FLVW, 25 Jahre Erfahrung bringt der 46-jährige Wadersloher in die Förderung ein. Zunächst als Trainer für Diskuswurf und Kugelstoßen gestartet, wechselte er 2000 zu den Speerwerfern, denen er seitdem Sport, Technik und das Leben eines angehenden Leistungssportlers näherbringt.
Im Alter von 13 Jahren begann Stienemeier selbst als aktiver Leichtathlet, während seiner gesamten beruflichen Laufbahn, die ihn von der Bundeswehr über die Finanzverwaltung bis zu seinem aktuellen Beruf, IT-Leiter im Landesamt Straßenbau NRW, führte, war er als Leichtathletik-Trainer aktiv. „Mit 20 Jahren hatte ich nicht mehr die Zeit, daher fehlte die entsprechende Leistungsperspektive, selbst als Athlet erfolgreich zu sein“, erinnert er sich im Interview. „Im Nachbardorf gab es aber eine talentierte Nachwuchs-Hammerwerferin, die keinen Trainer hatte. Da bin ich eingesprungen und habe mit meiner ersten Athletin als Trainer direkt an deutschen Meisterschaften teilgenommen.“ Letztendlich hat sich seine Trainerlaufbahn – wie so vieles im Sport – „so ergeben“.
Der Einstieg in die Leistungssportförderung, den er etwa ein Jahr später schaffen konnte, war nicht unbedingt einfach. „Meine ersten Athleten waren maximal fünf Jahre jünger als ich“, berichtet er. Nicht jeder Athlet, vor allem nicht jeder Heimtrainer, war von einem jungen Kadertrainer überzeugt. „Aber die Reaktionen waren gemischt, ich habe auch von vielen Trainern gehört, dass sie das, was ich mache, gut finden.“ Wichtige Unterstützung für einen jungen Trainer.
„Landesdisziplintrainer sind Berater“
Für den absoluten Leichtathletik-Laien: Was bedeutet es „Kadertrainer“ im FLVW zu sein? „Die höchste Stufe der deutschen Leichtathletik betreut der Deutsche Leichtathletik-Verband mit seinen Kadern, die an internationalen Wettkämpfen teilnehmen, inklusive den Perspektivathleten“, umreißt Stienemeier das Fördersystem im DLV. „Darunter sind die Landesverbände für die Talentförderung der Altersklassen U18/U16 verantwortlich. Bei uns bekommen Athleten die Chance, im ‚goldgas Talent-Camp‘ an einem Auswahllehrgang teilzunehmen, der den Einstieg in das ‚goldgas Talent-Team‘, den Landeskader, ermöglicht.“ Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Talent-Camps, den Perspektiven und natürlich den alterseigenen Eigenschaften wie Wachstum oder Entwicklung, wird ein Team aus den vielversprechendsten Leichtathletinnen und -athleten gebildet.
Seit 2016 fördert der FLVW gemeinsam mit seinem Partner goldgas Nachwuchstalente im „goldgas Talent-Team“. Die Kooperation ermöglicht eine umfangreiche Förderung der Nachwuchssportler in ihren Sportarten wie auch auf dem Weg in das Leben eines Leistungssportlers. „Für die Jugendlichen ist das eine große Freude. Allein so ausgestattet zu werden, macht sie stolz, sie können als Teil eines wichtigen Teams in der Nachwuchsförderung auftreten – das motiviert jeden“, beschreibt Stienemeier seinen Eindruck der unmittelbaren Vorteile der Förderung. „Gleichzeitig ist das ein, in der Leichtathletik leider zu seltenes, Gefühl der öffentlichen Anerkennung ihrer Leistungen und für die Athleten ein Zeichen, dass sich für die Leichtathletik Unterstützer finden, ohne die unsere Arbeit kaum möglich wäre.“ Gerade in den vergangenen Jahren seien Mittel gekürzt worden, was in erster Linie die Athleten zu spüren bekämen, das Engagement von FLVW und goldgas sein ein wichtiges Zeichen gegen diesen Trend und für den Sport.
„Den Landesdisziplintrainer sehe ich in diesem System als einen Art Berater“, beschreibt Stienemeier seine Position. „Wir bieten den Athletinnen und Athleten, genauso wie den Heimtrainern, unsere Mitarbeit an, die jeder ganz individuell und unterschiedlich intensiv annimmt.“ Dafür ist der 46-jährige schon durchs ganze Land gefahren, wenn er um seine Unterstützung gebeten wurde. Entscheidend für die Erfolge der Athleten ist die Zusammenarbeit zwischen Kadertrainer und Heimtrainern – wie funktioniert das? „Sehr unterschiedlich. Manche Heimtrainer empfinden die Kadertrainer als ‚Oberlehrerhaft‘, manche sind total begeistert von den Möglichkeiten. Häufig entscheidet auch, wie professionell beziehungsweise umfangreich die Jugendlichen schon in ihren Vereinen betreut werden.“ Die Bandbreite der Zusammenarbeit ist vielfältig, was die Herausforderung und den Reiz des Amtes ausmacht.
„Ein Wurferlebnis, das man keinem beschreiben kann“
Ebenfalls vielfältig sind die diversen Disziplinen, in die sich die Leichtathletik gliedert. Seit 20 Jahren trainiert Thomas Stienemeier Speerwerferinnen und -werfer, was macht für ihn die „Faszination Speerwurf“ aus? „Im Speerwurf geht alles um das Wurferlebnis“, erklärt er. Ein guter Speerwerfer könne aus einem lockeren Anlauf einen präzisen, kraftvollen Wurf erreichen. „Ein tolles Erlebnis, wenn das Ding dann fliegt. Das kann man keinem, der das nicht mal gemacht hat, beschreiben. Ein Erlebnis, dass die Athleten abspeichern und immer wieder versuchen, zu kopieren.“
Schnellkraft, Sprungkraft, Belastbarkeit – das sind die wichtigsten Eigenschaften, die Speerwerfer laut dem erfahrenen Trainer mitbringen müssen. „Durch die hohe Beschleunigung entstehen Kräfte, die der Körper auf der einen Seite aushalten können, die ich als Athlet auf der anderen Seite auch verstehen und anwenden muss. Wenn ich die optimale Balance in dieser Vielseitigkeit finde, werde ich ein guter Speerwerfer. Daran mit den Athleten zu arbeiten ist meine Hauptaufgabe“, geht Stienemeier in die Details der technisch anspruchsvollen Disziplin.
Eine gute sportliche Grundlage, die von den Trainern in der Kindheit gelegt werden muss, ist der erste wichtige Baustein in der Nachwuchsförderung. „Die Kinder müssen vielfältig Spaß an Bewegung haben und vermittelt bekommen. Letztendlich müssen sie alles, was sich bewegen lässt, durch die Gegend werfen, dann haben sie die perfekte Grundlage, einmal Speerwerfer zu werden.“
Große Erfolge mit der „Speerwurf-Familie“
Die meiste Arbeit, die er als Kadertrainer verrichtet, findet dezentral bei den jeweiligen Athleten statt. Dadurch kann der Fokus intensiver auf die speziellen Stärken und Schwächen gelegt werden, die Zusammenarbeit mit den anderen Trainern funktioniert so ebenfalls besser. Einmal pro Jahr veranstaltet Stienemeier aber ein gemeinsames „Speerwurf-Camp“, zudem er all seine Athleten aus allen Altersklassen gemeinsam ins SportCentrum Kaiserau einlädt. So entsteht untereinander ein Teamgefühl, eine „große Familie“, wie er es selbst beschreibt. Die Älteren helfen den Jüngeren, das gemeinsame Training spornt alle an und bringt allen viel Spaß.
Derzeit betreut Thomas Stienemeier zwölf Athletinnen und Athleten im Alter von 13 bis 19 Jahren, im Kader herrscht ein reger Wechsel. Von unten rücken neue Talente nach, nach oben hat er immer zwei oder drei Athleten, die mindestens perspektivisch in einen Bundeskader aufsteigen können und dann von den Trainern des DLV betreut werden. „Ich biete jedem Athleten, der mal bei mir trainiert hat an, mich immer anrufen zu können, wenn sie mal eine Frage haben.“ Sehr wichtig sei ihm das, das Anbieten von Unterstützung ist das wichtigste, was er als Trainer tun kann.
Unterstützung, die in 20 Jahren als Trainer natürlich auch Erfolg mit sich bringt. Welche Athletinnen und Athleten sind ihm besonders in Erinnerung geblieben? „Ganz aktuell ist das Marc Gast, der mit 16 eine schwere Verletzung diagnostiziert bekommen hat. Trotzdem ist er im Jahr 2019 deutscher U18-Meister geworden“, berichtet der Trainer. Hinzu kommen vor allem Annika Suthe, Olympiateilnehmerin von 2004 und Linda Stahl, Europameisterin 2010 und Olympia-Dritte 2012, die beide in ihrer Jugend Teil des Nachwuchskaders von Thomas Stienemeier waren: „Dass ich mit diesen Athletinnen und Athleten zusammenarbeiten durfte und darf, ist ganz klar etwas Besonderes für mich.“