Bodo Goeke drückt auf den Auslöser. Es ist genau der Moment, in dem der Eimer fliegt, die Wassertropfen in der Luft zu schweben scheinen, der Augenblick, in dem sich die ganze Wut des Michael Schulz über die ungerechte Hinausstellung entlädt.
Viele Jahre später wählen hunderte von Journalisten, Fans und Funktionäre von DFB und Fußballliga dieses Bild des Dortmunder Pressefotografen Bodo Goeke zum besten Foto „40 Jahre Bundesliga“. Goeke heute: „Es war Intuition damals. Ich stand an der Trainerbank und hatte Schulz die ganze Zeit im Sucher. Irgendetwas musste passieren. Er kochte vor Wut. Dann der Tritt gegen den Eimer. Ein Klick. Und alles ist vorbei.“
Bodo Goeke mit vielen Preisen ausgezeichnet
Gestern wurde Bodo Goeke 80 Jahre alt, das Schulz-Foto – sicher eines der wichtigsten seiner Karriere, einer Karriere, in der er zu einem der überragenden Vertreter der deutschen Foto-Journaille wurde, vielfach ausgezeichnet im Verband Deutscher Sportjournalisten, mit zahlreichen Einzel-Ausstellungen und bei World Press Photo geehrt, mit Preisen und in Büchern gewürdigt. Und in Tausenden von Fotos als Fotograf unterwegs auf den Sportplätzen des Reviers.
Geboren wurde Goeke am 24. August 1941 in Lindenhorst, einem Industrie- und Arbeitervorort im Dortmunder Norden. Es zeigt seine Bodenständigkeit, dass er dort wohnen geblieben ist, bis heute. Nicht geblieben sind die Zechen, Kokereien und die Eisen verarbeitenden Betriebe, die jahrzehntelang diesen Stadtteil geprägt haben. In einem jener Betriebe, der Eisengießerei des damaligen NOK-Präsidenten Willi Daume, begann Goeke eine Lehre als Former und Gießer. „Reine Knochenarbeit“, erinnert er sich heute, „und für 93 Pfennig Stundenlohn“. Doch daneben gab es schon die Fotografie. Und den Sport. Und irgendwann die Erkenntnis, dass mit dem Fotografieren auch Geld zu verdienen ist.
Seine Foto sagten mehr aus als jeder Text
Goeke erschien eines Sonntags in der Sportreaktion der Westfälischen Rundschau und legte aktuelle Bilder von Fußballspielen des Tages vor. Aber es waren eben nicht jene üblichen Bilder „vier Beine ein Ball“ – das waren die Bilder des Spiels, die entscheidenden Szenen, das Strahlen der Sieger, der Schmerz der Niederlage, Wut, Enttäuschung, das stille Glück, Fotos, die mehr aussagten als jede Zeile Text. Goekes Bilder waren neu. Und die Redaktion begriff schnell: Da ist uns ein Juwel in den Schoß gefallen, viel zu schade für die Knochenarbeit beim Eisengießer Daume. Wenige Sonntage später legte sie ihm einen Brief vor mit dem, so ganz nebenbei geäußerten Wunsch: „Hier, unterschreib’ mal eben!“ Goeke unterschrieb. Es war das Bewerbungsschreiben an den damaligen Chef vom Dienst mit der Bitte, als Fotograf eingestellt zu werden.
Und der Beginn eines Reporterlebens, längst nicht nur für den Sport. Goeke berichtet aus Bethlehem und Canterbury, fotografiert Oscar Wildes Grab auf dem Père Lachaise in Paris und wandelt kurz nach dem Mauerfall auf den Spuren Theodor Fontanes durch die Mark Brandenburg, immer auf der Suche nach der Geschichte, dem entscheidenden Bild.
24 Stunden Fotografie im Kopf
„Ich habe 24 Stunden am Tag Fotografie im Kopf“, sagt er, „das ist mein Leben!“ Ein Leben, das in hundert prall gefüllten Ordnern voller Negative abgespeichert ist, dazu sind unzählige Bilder auf der Festplatte archiviert. Aber die digitale Welt hat auch das Fotografieren verändert. Kein Vergrößern, kein eiliges Entwickeln auf dem Rücksitz des Reporterwagens. Dafür auch kein Missgeschick, wie es dem Fotografen einmal beim Spiel „auf Schalke“ passierte. Da kroch Goeke wie so oft zuvor in den Kofferraum seines Wagens, um den Film bei völliger Dunkelheit in die Entwicklerbox einzufädeln. Derweil wartete Volontärin Barbara draußen auf das Klopfzeichen zum Öffnen der Heckklappe. Das Klopfen kommt, Barbara drückt auf den Knopf des Kofferraumdeckels – nicht tut sich. Lamento drinnen. Ratlosigkeit draußen. Er: „Mach endlich auf!“ – Sie: „Geht nicht!“ Im Stadion läuft das Spiel, kein Retter weit und breit. Hilferuf schließlich an die Polizei. Die holt den Hausmeister des Stadions, der Bodo Goeke mit schweren Gerät befreit.
Das Staunen hat Bodo Goeke nie verlernt
Das Staunen hat Goeke trotz aller Routine in so vielen Jahren nie verlernt, die Neugier ist geblieben, das wache Auge, der Blick für die kleinen Dinge am Rande, die bei ihm und dem Betrachter seiner Bilder Assoziationen auslösen, das Bild der Zorc-Tochter Anastasia, die den Papa umarmt, die alte Frau auf dem Fahrrad inmitten eines Radrennens, der kleine Daumenlutscher auf den Schultern seines Vaters beim Bergarbeiterstreik in Lünen.
„Am liebsten“, sagt er, „gehe ich raus, suche nach Stimmungen, fotografiere einfach. Ob es was wird, oder nicht. Du machst es aus Spaß. Und wenn es nichts wird, ist es auch gut.“