Senioren-Langstreckler Klemens Wittig radelt 3.712 km quer durch die USA

Mit seiner außergewöhnlichen Fitness und bemerkenswerten Ausdauer repräsentiert Langstreckler Klemens Wittig (LC Rapid Dortmund) eine neue Generation von Senioren, die körperlich und geistig noch recht aktiv sind. Der inzwischen 79-jährige Ausdauerspezialist hat in den letzten Jahren im Seniorenbereich 24 Welt- und 22 Europameisterschaften errungen. Darüber hinaus hat er auf den Langstrecken viele Senioren-Welt- und Europarekorde aufgestellt.

Der rüstige Senior, an dem Ärzte und  Apotheker kaum etwas verdienen, lieferte nun einen weiteren Beweis seiner enormen Ausdauer. Mit dem Fahrrad radelte er quer durch Amerika und legte dabei 3.712 Kilometer zurück. Hier der ausführliche Bericht über seine eindrucksvolle Reise.

Nach seinen großen Radreisen in Deutschland und Europa hat sich Klemens Wittig dieses Mal nach Übersee gewagt. Damit hat er in seinem 80. Lebensjahr einen lang gehegten Wunsch in die Tat umgesetzt. „So eine Reise fängt im Kopf an und gewinnt dann allmählich mit der Zeit an Strukturen,“ so der passionierte Radler. Viele Monate vorher wurden im Internet alle Berichte über derartige Reisen von New York nach San Francisco studiert und dabei auf alle Details geachtet.

Vorbereitungen

„Mit dem Fahrrad quer durch den amerikanischen Kontinent erfordert eine besonders sorgfältige Vorbereitung. Respekt vor den großen Weiten dieses Landes hatte ich ohnehin schon immer“, und zieht dabei seine Stirn kraus. Erst im Mai diesen Jahres weihte er seine Familie in das ungewöhnliche Vorhaben ein. Von furioser Zustimmung bis zu ernsten Bedenken und Warnungen war alles dabei. Nun begann die Detailvorbereitung der vielen abzuarbeitenden Punkte. So musste zuerst der Antrag für die USA-Einreise (Esta) gestellt werden. Diese Erlaubnis gilt für max. 90 Tage. Die Gütigkeitsdauer für den Reisepass wurde überprüft und die Kreditkarte erneuert. Die Frage der Auslandskrankenversicherung musste geregelt werden, denn wehe in den Staaten wird eine Heilbehandlung erforderlich, und ein Sturz mit dem Fahrrad ist schnell geschehen. Nach dem Studium aller Möglichkeiten für gute Straßen- und Wegekarten zeigte sich: die Superkarte für die angedachte Route gibt es nicht. Mitgenommen hat er schließlich eine USA-Gesamtkarte und eine Karte USA-Süd-West. Für das neue iPhone wurden die GPS-Ortungsdienste aktiviert. Damit konnte Wittig selbst und auch seine Familie seine Position stets ermitteln. Schließlich wurden die Direktflüge nach New York und der Heimflug von San Francisco gebucht.

Fahrrad und Ausrüstung

„Das altbewährte Kalthoff-Tourenrad habe ich general überholen lassen und es mit neuen Schwalbeplus-Reifen und einem neuen kompletten Pedalantrieb ausgestattet. Ein E-Bike wurde es dadurch aber nicht!“, lächeltete er verschmitzt. Klar, für den Flug musste es sicher eingepackt und die Luft abgelassen werden. Werkzeug und Ersatzteile gehörten für Notfälle dazu. Dieses Mal entschied er sich wegen der großen Entfernungen und den begrenzten Möglichkeiten in den Nationalparks für Zelt, Schlafsack und Matratze. Doppelte Unterwäsche, Socken, Tageshemden und Fahradkluften wurden eingepackt, hinzu kamen eine Fleece- und eine Regenjacke. Schlafanzug, Hygiene-Artikel, ein Handtuch sowie eine Notapotheke war selbstverständlich notwendig und musste mit. Sonnen- und Ersatzbrille, Kartenmaterial, Unterlagen sowie iPhone und Kamera einschließlich der Ladegeräte sowie der unerlässliche Fahrrad-Helm, ohne den er keinen Kilometer gefahren ist.

Selbst mit dem nur Notwendigsten und der Verpflegung kommen schnell ca. 18 kg Gepäck zusammen, die am Berg wie Blei schwer wurden.

Routenplanung

„Viele Wege führen nach Rom“ - sagt man und das gilt ganz besonders auch für die Durchquerung Amerikas. Die Routenplanung war deshalb eine der wichtigsten Überlegungen. Die nördlichere Route mit New York, Cleveland, Chicago, den Bundesstaaten Iowa, Süddakota, Wyoming, Idoho, Nevada und Kalifornien hätte natürlich auch seine Reize und war sehr verlockend, doch Wittig hat sich für einen südlicheren Weg entschieden. Seine Route führte von New York mit dem Ausgangspunkt der Brookline Bridge über New Jersey, Pennsylvania zunächst nach Maryland und Washington.
Sein besonderes Interesse galt der Hauptstadt selbst und dem Heldenfriedhof von Arlington mit der Grabstätte J. F. Kennedy's. „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann. Frage, was du für dein Land tun kannst!“ In Anbetracht der vielen Wünsche und Begehrlichkeiten so mancher Bundesbürger ein Zitat, dem er nur allzu gerne zustimmt. Das war ihm die südliche Route wert, obwohl er wusste, dass er mit deutlich höheren Temperaturen rechnen musste. Rund 1.000 km führte dann der Weg durch Virginia und West-Virginia quer durch die Apalachen nach Cincinnati mit dem Ohio-River. Nach weiteren 600 Kilometern durch Indiana und Illinois war Saint Louis/Missouri mit dem legendären Missisippi erreicht. Der Gateway Arch, ein 192 m hoher begehbarer Edelstahlbogen, beeindruckte ihn bereits von Weitem. Auch wenn er hoffte, die vielen Steigungen hätten ein Ende, sah er sich sehr getäuscht. Bis Kansas City war der Weg gespickt mit einem ständigen Auf und Ab! Doch dann endlich folgten Etappen in der „grossen Ebene“ á la „ platt wie im Münsterland“. Jedoch vor Denver, 1.600 m über NN, musste dann noch einmal kräftig in die Pedalen getreten werden.

Strategiewechsel

Die hohen Temperaturen des heißen Sommers der USA von 32 bis 36°C im Schatten und die vielen Steigungen führten zu hohen körperlichen Belastungen des 79-jährigen. Hinzu kamen Belastungen durch das Gepäck von 18 kg, der prognostizierte Gegenwind von West nach Ost und dem bei 35°C klebrig grob strukturierten Asphalt der amerikanischen Straßen, der den Rollwiderstand vergrößerte. Aufgrund dieser Erfahrungen wurde der Respekt vor den Rocky Mountains und den weiteren Pässen in den Bundesstaaten Colorado, Utah, Arizona, Nevada und schließlich in Kalifornien noch größer. So entschloss sich Wittig mit Befürwortung seiner Familie und guten Freunden nach 3.712 Kilometern sein Stahlross gegen einem Mietwagen zu tauschen.

Damit wurde dann der zweite Teil seiner Reise mit 3.163 km zu einer Urlaubsfahrt, gespickt mit traumhaften Eindrücken von insgesamt zehn Nationalparks. Im Bundesstaat Utah ragten insbesondere die Nationalparks Arch, Monument Valley sowie der Bryce Canyon mit unglaublicher Schönheit heraus. Der weltbekannte Grand Canyon, sowie der Geheimtip Antelope Nationalpark in Arizona waren Erlebnisse von einerseits gewaltigen andererseits filigranen Eindrücken.

Nach der Spielerstadt Las Vegas führte ihn der Weg durch die trostlose Mojavewüste/Nevada in das Tal des Todes, Death Valley. Mit 85,5 m unter NN der tiefste und mit 57°C zugleich der heißeste Ort der USA. Nach der Überquerung des Towne Passes entlang der Bergkette der Sierra Nevada waren der Yosemite Naitionalpark und danach das angestrebte Ziel San Francisco mit der berühmten „Golden Gate Bridge“ erreicht.

Fahrradwege

Grundsätzlich ist das Fahrradfahren in USA nicht schwieriger als in Deutschland. So wie hier sind auch die Wege mal besser und mal schlechter. Bis auf die Interstate Highways sind alle anderen  untergeordneten Straßen erlaubt, es sei denn, es gibt einen der wenigen Radwege. Insgesamt wurden ihm nur drei spezielle Radwege empfohlen. Der Längste davon war 20 Meilen lang.
Radfahren ist in Amerika weit weniger verbreitet als in Deutschland. In Amerika wird Auto gefahren und sei es der kürzeste Weg! Deshalb haben wohl auch kleinere Orte keine Bürgersteige! Ihm sind lediglich zwei Tourenfahrer begegnet. Die normalen Highways haben meist einen breiten, asphaltierten Seitenstreifen, auf denen es sich gut fahren lässt. Je nach Bundesstaat sind diese Randstreifen unterschiedlich breit und auch mehr oder weniger gepflegt. An Brücken, Engstellen und Baustellen wird die Radspur oft sehr problematisch, zumal die „Rumble Strips“ (gefräste Querrillen) eine erhebliche Gefahr bedeuten. Die Highways sind zwischen den Städten weniger frequentiert; im Bereich der Großstädte aber wird es sehr quirlig und der Radfahrer muss sehr achtsam sein. „Dadurch habe ich auf den Seitenstreifen der Fahrbahn zwei ausgeraubte Portemonaies mit Ausweisen und Scheck-Karten und sogar einen Pass der USA gefunden“, berichtete er stolz. Wegen der meist breiten doppelseitigen Straßen ist der „Ost-West-Radfahrer“ permanent der Sonnenstrahlung ausgesetzt. Schatten gleich Fehlanzeige. So es heißt nur: trinken, trinken und nochmals trinken, auch wenn das Getränk 40°C und mehr aufweist. Drei Begegnungen mit dem legändären Highway 66 konnte er vermelden; allerdings nur mit dem „historischen“ Teil in der Nähe von St. Louis im Rahmen des „Riverfront Trail“ über den Missisippi. Den aktuellen Highways No. 1 erlebte er im Umkreis von San Francisco.

Resumee

„Ab Denver die Reise mit dem Auto fortzusetzen, war genau die richtige Entscheidung! Von den Besuchen der Nationalparks per Fahrrad mit Gepäck hätte ich nur Fragmente erfahren und auch nicht so viele unglaublich schöne Fotos für eine Diashow mitbringen können“, so Klemens Wittig.