Dabei belegt die Zehntklässlerin des Liebfrauengymnasiums Büren in dieser Disziplin „nur“ den zwölften Rang in der aktuellen Deutschen Jahresbestenliste ihres Jahrgangs WJU16. Weit besser schneidet sie im Diskuswurf ab: Hier ist Romi Griese mit 35,41 Metern national an Position vier gelistet.
Beide Leistungen glückten ihr in diesem Jahr bei den Westfälischen Jugendmeisterschaften in Hagen, zugleich ihr letzter Wettkampf vor dem zweiten Lockdown. „Das war ein richtig guter Tag für mich. Darauf hatte ich auch lange hingearbeitet. Die Platzierungen sagen aber nichts aus. Mein größtes Potenzial liegt im Speerwurf, der macht mir auch am meisten Spaß“, merkt sie an. Ihre 11,48 Meter im Kugelstoßen – diese neue Bestmarke stellte sie beim Geseker Werfermeeting auf – können sich ebenfalls sehen lassen. Damit ist sie die Nummer drei in Westfalen. Eigentlich ist Romi Griese ein Mehrkampftyp, aber: „Nee, mit Laufen und Ausdauer habe ich es nicht so“, winkt sie ab.
Ein Trumpf der jungen Athletin ist ihre hohe Leistungsbereitschaft. „Sie will! Romis Willen ist ihre Stärke“, schwärmt Salzkottens Chef-Jugendtrainer Rupert Richards (66). „An den Trainingstagen ist sie immer vor mir da. Das ist für mich ein klares Zeichen, dass sie es ernst meint.“ Der erfahrene Coach aus Jamaica hat seinen Schützling von Beginn an methodisch angeleitet, weiß Romis Entwicklung also bestens einzuschätzen. Die Tendenz sei klar. „Sie wird immer besser, wirft immer weiter.“ Das dankende Echo der Sportlerin: „Ohne Rupert wäre ich nicht da, wo ich heute bin.“
Spielerische Übungen im Training
Richards streut gerne spielerische Übungen ins Training ein, sei es Zielwerfen („Dafür stellen wir eine Pylone in gut 20 Meter Entfernung auf“) oder auch Fahrradreifen-Weitwurf. „Das ist gut für Schwung und Kraft.“ Und wie die ganz Großen ihrer Zunft hat Romi Griese sich auch schon am ungewöhnlichen Streichholz-Weitwurf versucht (mit Zündholz nach vorne), um das Wurfgefühl zu schulen und Bewegungsabläufe zu präzisieren. Ob Johannes Vetter, Thomas Röhler, Andreas Hofmann, Boris Henry, Christin Hussong, Katharina Molitor, Christina Obergföll, Linda Stahl, Steffi Nerius, Tanja Damaske – die Namensliste der nationalen Weltklasse-Speerwerfer in diesem Jahrtausend ist lang. Speerwerfen ist irgendwie „deutsches Kulturgut“ geworden. „Ein echtes Vorbild habe ich nicht“, erzählt die Linkshänderin. „Ich versuche aber schon, mir von den Profis ein bisschen was abzugucken. Wäre natürlich schön, wenn ich auch mal so weit kommen könnte.“
Romi Grieses emotional schönster Moment war bislang das Abschneiden bei den NRW-Meisterschaften 2019, die im Rahmen der Ruhr Games im Duisburger Sportpark Wedau stattfanden. Mit ihrem letzten Wurf (35,62 m) katapultierte sie sich damals noch auf den zweiten Platz ihrer Altersklasse WJU14.
Energie mitnehmen, Energie speichern, Energie abgeben – der archaische Speerwurf, seit 1908 im olympischen Programm, verbindet extreme Dynamik, Risiko und Ästhetik. Wenn der Speer die Hand verlässt und am Himmel immer kleiner wird, kommt dieser kurze magische Moment des hoffentlich Genießens. Romi Griese erklärt: „Du merkst sofort, ob der Wurf gut war.“ Diese Disziplin habe sie deshalb gepackt, „weil sie so vielseitig ist. Es ist eine Mischung aus Bein- und Armarbeit und Schnelligkeit. Speerwerfen beansprucht nicht nur den Wurfarm, sondern den gesamten Körper.“
Ihr Ausgleich zum Sport ist nicht minder bewegungsintensiv und geht eigentlich auch als Sport durch: Die 15-Jährige liebt das das Tanzen, insbesondere in der fünften Jahreszeit. Sie macht beim schmissigen Gardetanzen in der Karnevalsabteilung innerhalb der Kolpingsfamilie Salzkotten mit. Das Rhythmusgefühl, das sie dort trainiert, kann sie nicht zuletzt auch beim Sport prima einsetzen.
Ziel für 2021 ist die DM-Qualifikation
„Unser Ziel für 2021 ist im Speer die Qualifikation für die Deutsche Meisterschaft“, kündigt Rupert Richards an. „Ich bin mir sicher, dass Romi die Norm von 44 Metern schafft. Um gut drei Meter kann sie sich steigern. Auch im Diskus traue ich ihr die Qualifikation zu. Sie hat einfach die Technik.“ Dafür muss sie die 39 Meter knacken. Die U18/U20-DM – ab Januar startet sie in neuer Altersklasse – soll vom 30. Juli bis 1. August im Rostocker Leichtathletikstadion steigen. Bis dahin, das weiß Romi Griese genau, steht disziplinierte Fleißarbeit an, viermal die Woche. Mindestens. „Ich will mich weiterentwickeln und werde versuchen, so viel und so akribisch wie möglich zu trainieren. Und ja, ich denke auch, dass ich die fehlenden Meter hinkriege.“
Romi Griese fokussiert sich klar auf die Titelkämpfe in Rostock. „Natürlich will jeder Sportler mal bei den Olympischen Spielen dabeisein. Aber ich setze mir keine zu großen Ziele, denke lieber Schritt für Schritt“, sagt sie abgeklärt.