Auch hinter diesem Termin des IAAF-Kalenders 2020 steht nun ein englisches Wort, das Hoffnung und zugleich Unsicherheit impliziert: „postponed“. Verschoben – aber auf wann? Könnte die WM erst 2021 nachgeholt werden, wäre das ungünstig für Clemens Erdmann, das dritte Bielefelder Talent mit internationalen Erfahrungen und Erfolgen. Denn der aus Studiengründen gerade erst vom TSVE zur LGO Dortmund gewechselte Läufer (2018 Jugend-EM-Fünfter über 3.000 Meter) ist Jahrgang 2001 und kann, anders als Pia Northoff, nur noch die aktuelle Saison für U20-Starts nutze.
In 2020, einem Jahr ohne U23-EM, stand Timo Northoff dennoch vor einem Einsatz im Nationaltrikot: Der DLV hatte ihn nominiert für den Wurf-Europacup, der am vorletzten März-Wochenende in Leiria (Portugal) hätte stattfinden sollen, aber auch „postponed“ werden musste. Ob Mitte August die Durchführung der U23-DM möglich ist, bleibt abzuwarten. „Eine Saison ganz ohne Wettkämpfe wäre schon komisch“, findet der 20-jährige Physik- und Sportstudent an der Uni Bielefeld, „man hängt ja an seinem Sport, könnte sich aber auch damit abfinden, dass es erst 2021 weitergeht.“
Das Training jedenfalls wird unvermindert fortgesetzt. „In der aktuellen Ausnahmesituation haben wir den Vorteil, unseren privaten Trainingsraum nutzen zu können, die dreieinhalb Meter hohe Lagerhalle einer früheren Näherei“, berichtet Timo Northoff. Dort hat man ein Auffangnetz für die Wurfgeräte angebracht und zusätzlich ein paar Möglichkeiten fürs Krafttraining eingerichtet.
Davon profitiert auch Pia Northoff, die wie ihr Bruder seit gut einem Jahr für den TV Wattenscheid startet, aber fast ausschließlich von ihrem Vater Tilman trainiert wird und nur bei Wettkämpfen den einen oder anderen Tipp vom Wattenscheider Vereinscoach Miroslaw Jasinski (Vater des Rio-Olympiadritten Daniel) erhält. Mit hoher Motivation arbeitet sie zurzeit daran, an ihre Top-Form der Saison 2019 anzuknüpfen. Da war sie mit beeindruckenden 57,36 m die beste 16-jährige Diskuswerferin weltweit und nur einen Meter entfernt von der etwas älteren U18-Weltranglistenersten Alida van Daalen (Niederlande).
„Nach meiner eher holprigen Wintersaison bin ich zuversichtlich, mich wieder steigern zu können“, sagt die Gymnasiastin, auf die 2021 das Abitur wartet. In der ersten Woche der Osterferien stand eigentlich ein Trainingslager unter DLV-Bundestrainerin Katja Schreiber im Leistungszentrum Kienbaum auf dem Programm. Doch das verhinderte die Corona-Krise ebenso wie die anschließende Leistungsdiagnostik in Leipzig.
"Draußen findet man immer Alternativen"
Den Ausfall eines DLV-Lauftrainingslagers in Spanien bedauert Clemens Erdmann. Wegen hartnäckiger Wadenprobleme war seine Wettkampfsaison 2019 komplett ausgefallen. „Inzwischen hat sich das alles gut entwickelt“, freut er sich, „ich kann wieder normal trainieren und für meine Verhältnisse auch relativ viele Wochenkilometer absolvieren.“ Er bleibt aber Realist: Auch wenn seine Form langsam in die richtige Richtung gehe, fehle ihm noch etwas, die WM-Norm (anspruchsvolle 8:14,00 Min. über 3.000 m) angreifen zu können. „Insofern kommt mir eine Verschiebung entgegen“ weiß er, „nur müsste die WM eben noch 2020 stattfinden.“
Wie in anderer Weise die Northoffs sieht sich auch Clemens Erdmann als privilegiert, was die Trainingsmöglichkeiten betrifft: „In der Gruppe läuft vorerst natürlich nichts, aber allein können wir die Pläne unseres Trainers abarbeiten. Und draußen findet man ja immer Alternativen.“ So messe er sich Strecken für Sprints und Koordination einfach auf der Straße ab. „Könnte also weit schlimmer sein, wir Läufer haben da weniger Probleme als andere.“