Klaus Ehl zieht nach der Premiere des Urban Trail eine positive Bilanz

Sightseeing im Laufschritt. Nicht an den Sehenswürdigkeiten vorbei, sondern mittendurch – und das ohne jeglichen Leistungsdruck. Das ist das Prinzip des Urban Trail, der in diesem Jahr in Deutschland seine Premiere feierte. Der frühere Weltklassesprinter Klaus Ehl, der bei den Olympischen Spielen 1972 in München mit der 4x100m-Staffel die Bronzemedaille gewann, koordinierte die Läufe in Oberhausen, Bochum und Dortmund. Mit dem Urban Trail betrat der frühere Sport- und Kunstlehrer, der zuvor in erster Linie Schülerläufe organisierte, Neuland. Im Gespräch mit dem westfälischen Leichtathletik-Pressewart Peter Middel zieht er ein erstes Fazit.

Waren Sie zufrieden mit der Premiere? 

Klaus Ehl: Die Bilanz fällt sehr positiv aus. In Bochum starteten weit über 2.000 Läuferinnen und Läufer. Da werden wir im nächsten Jahr sicherlich 4.000 haben. Das ist meine Prognose. In Dortmund hatten wir knapp über 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Diese Veranstaltung litt ein wenig darunter, dass wir zunächst einen anderen Termin hatten. Doch am 22. September spielte der BVB, sodass wir keine Genehmigung von der Stadt erhielten. Daher mussten wir im Kalender vier Wochen nach hinten rutschen. Das war nicht optimal, weil der 22. Oktober mit dem Beginn der Herbstferien kollidierte. Das wird im nächsten Jahr sicherlich anders sein. Kurzum, Dortmund hat noch ein recht großes Potential.

Wie war die Zusammenarbeit mit den Städten in Oberhausen, Bochum und Dortmund?

Ehl: Da wir den Urban Trail in diesem Jahr zum ersten Mal angeboten haben, werden wir nun unsere Erfahrungen auswerten und entsprechende Schlussfolgerungen daraus ziehen. Im kommenden Jahr wird einiges anders aussehen. Wir haben im Vorfeld sehr viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, nicht bei den Läuferinnen und Läufern, sondern bei den Verantwortlichen der jeweiligen Städte. Die Strecke ging in Dortmund beispielsweise durch das Museum und das Opernhaus und in Bochum durch das Schauspielhaus. Da haben viele im Vorfeld gesagt, dass das überhaupt nicht gehen würde. Doch wir haben es geschafft, mit viel Beharrlichkeit und Ausdauer auch die letzten Zweifler zu überzeugen. Es hat erfreulicherweise alles funktioniert. Vor allem in Bochum hatte ich ein leichtes Spiel, weil ich dort die meisten Leute kenne. Aus dem Stand heraus hatten wir dort über 2.000 Leute am Start. Damit hatte im Vorfeld kaum einer gerechnet.

Was ist das Besondere an dieser Veranstaltung?

Ehl: Als in Bochum beispielsweise Oberbürgermeister Eiskirch auf dem Rathausflur stand und die Läuferinnen und Läufer anfeuerte, waren alle hellauf begeistert. Das macht unter anderem den Reiz dieser Veranstaltung aus. Der Deutsche Leichtathletik-Verband und der Fußball und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW) finden dieses Veranstaltungskonzept gut, weil dadurch Leute ans Laufen gebracht werden, die sonst an normalen Wettkämpfen auf der Bahn oder auf der Straße nicht teilnehmen würden. Jeder hat gewonnen bei dieser Veranstaltungsform, und es gibt keine Verlierer. Alle gehen mit ihrer Medaille zufrieden nach Hause. Mehr kann man als Veranstalter nicht erreichen.

Haben Sie mit dem Urban Trail neue Marktlücke entdeckt?

Ehl: Wir müssen in der Leichtathletik mehr niederschwellige Angebote präsentierten. Das ist zurzeit der allgemeine Trend. Man sieht das auch bei den Marathonläufen, wo die Teilnehmerzahlen auf der Marathonstrecke momentan zurückgehen, während die Marathon-Staffeln und der Halbmarathon weiter boomen. Die Leute haben offensichtlich nicht mehr so viel Zeit zum Training, sodass sie die niederschwellige Angebote wesentlich mehr annehmen. Unsere Veranstaltungsserie hat zudem gezeigt, die Kombination aus Sport und Kultur großen Anklang findet. Mehrere Läuferinnen und Läufer haben in ihren Städten einige Dinge entdeckt, die sie vorher noch nicht kannten. So waren einige Dortmunderinnen und Dortmunder noch nie auf dem Propsteihof. Sie durften dort sogar durch den Kreuzgang laufen. Ich habe im Vorfeld persönlich mit dem Propst, der von der Idee begeistert war und den Kreuzgang aufgeschlossen hat, gesprochen. Durch Kirchen oder Synagogen werde ich auch in Zukunft nicht laufen lassen, weil ich dort die Ruhe stören möchte.

Rannten Sie bei den Vorbereitungen überall offene Türen ein?

Ehl: Zunächst war es etwas schwierig, dann wurde die Kooperation jedoch immer besser. In Bochum hatte ich ein Heimspiel. In Dortmund hat das Amt für Tourismus hervorragend mitgearbeitet. In der Stadt- und Landesbibliothek in Dortmund habe ich einen ehemaligen Schüler von mir getroffen. Da hatte ich jemanden, der uns morgens die Tür aufschloss und anschließend die Aufsicht führte. Das war von großem Vorteil. In Zukunft werden wir an den touristischen Höhepunkten noch mehr Events anbieten. Da werden die Städte sicherlich noch mehr mitziehen. So hat in diesem Jahr in Bochum die Bigband der Musikschule Bochum vor dem Musiktheater gespielt. Das kam sehr gut an. Ursprünglich sollte auf der Opernbühne auch eine Probe stattfinden. Allerdings war es schwierig, dafür am frühen Sonntagmorgen Leute zu bekommen. Wenn sich jedoch herumspricht, dass unsere Veranstaltung so viele Leute mobilisiert, dann sind die Städte auch bereit, sich noch mehr zu engagieren. Solche Maßnahmen sind auch eine hervorragende Werbung für die jeweiligen Kommunen und deren Unternehmen. In Bochum wurde beispielsweise die Fiege Brauerei angelaufen. Dort konnte jeder ein Bier trinken, und die Leute hatten großen Spaß dabei. Nicht nur dort, sondern auch an den anderen touristischen Highlights wurde sehr viel fotografiert. Wir haben das unterstützt. Wir hatten sogar "Knipspaten" für die Event-Punkte bestellt, sodass die Leute auch einmal etwas anderes als ein Selfie aufnehmen konnten. Ich habe mich darüber gefreut, dass so sehr viele Familien an unserer Veranstaltung teilgenommen haben. Die Befürchtung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, dass die Kinder auf der 10km-langen Strecke überfordert würden, trafen nicht zu, denn der Zeitfaktor spielte bei diesem Lauf ja keine Rolle.

Wie geht es weiter?

Ehl: Im kommenden Jahr werden wir auf jeden Fall weitermachen. Dortmund und Bochum sind auf jeden Fall wieder dabei. Es werden noch andere Städte hinzukommen. Entsprechende Bewerbungen nehme ich entgegen. Die Organisation eines Urban Trails ist wesentlich aufwändiger als die eines Citylaufs. Daher konzentriere ich mich mit meinem Engagement im kommenden Jahr nur auf die Läufe in NRW, und da gibt es genug zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch.