Gina Lückenkemper kehrt voller Eindrücke von der WM in London zurück

Die Anspannung hat sich gelöst. Locker und gut gelaunt präsentierte sich Gina Lückenkemper drei Tage nach den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in London heute bei einer Pressekonferenz in Soest.

Diese Titelkämpfe wird die 20-jährige Sprinterin der LG Olympia Dortmund Zeit ihres Lebens mit den 10,95 Sekunden, mit denen sie erstmalig über 100 Meter unter der markanten Elf-Sekunden-Marke blieb, verbinden.

Auch die großartige Stimmung im Olympiastadion hinterlässt bei ihr bleibende Erinnerungen. „London war eine Wahnsinns-Weltmeisterschaft. Ich bin noch nie vor so einem unfassbar genialen Publikum gelaufen. Die Zuschauer haben richtig Stimmung gemacht. Das war der totale Wahnsinn. Für mich war vor allem beeindruckend, dass sich am Vormittag, als ich im 100m-Vorlauf meine 10,95 Sekunden erzielte, bereits 60.000 Zuschauer befanden. Solch eine Publikumsresonanz habe ich während einer Vormittagssession noch nicht erlebt“, betonte die Deutsche 100m-Meisterin. Gina Lückenkemper lobte auch die große Fairness und Aufmerksamkeit des Publikums: „Bei Starts wurde es immer ganz leise im Stadion. Im Gegensatz zu den Olympischen Spielen in Rio, wo der Lärmpegel weiter hoch blieb und es schwierig war, sich zu konzentrieren“.

Gina Lückenkemper ist endgültig in der Weltklasse angekommen

Mit ihrer neuen persönlichen Bestzeit von 10,95 Sekunden ist Gina Lückenkemper endgültig in der absoluten Weltklasse angekommen – auch bei ihren direkten Konkurrentinnen. „Selbst in der Mixed-Zone oder vor dem Staffel-Wettbewerb haben mir einige noch zu meiner neuen Bestzeit gratuliert. Die 10,95 Sekunden haben schon ordentlich Wellen geschlagen in London", berichtete die gebürtige Soesterin, die in den nächsten Wochen innerhalb ihres Heimatortes umziehen wird.

Dass sie ihre Super-Vorlaufzeit im Halbfinale nicht wiederholen konnte, führt sie vor allem auf die Temperatur von lediglich 19 Grad zurück, die am 6. August um 19:28 Uhr im Olympiastadion gemessen wurde. Dass sie in der 4x100m-Staffel, die Vierte in 42,36 Sekunden aufgrund eines schwachen ersten Wechsels wurde, wie bei den Olympischen Spielen in Rio wieder eine Bronzemedaille verpasste, ärgert sie, aber sie akzeptiert das Resultat und macht keiner Läuferin irgendwelche Vorwürfe.

Gina Lückenkemper wird nach der WM noch bei den Internationalen Sportfest in Zürich (24. August) und Berlin (27. August) sowie bei „Berlin fliegt“ (2. September) starten. „Die Spannung nach London lässt bei mir natürlich ein wenig nach, aber ich freue mich auf meine nächsten Starts. Ich lasse mich einmal überraschen, was dabei raus kommt“, sagte die letztjährige EM-Dritte über 200m.

Dass das Leistungsniveau im Vergleich zu früheren Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen in einigen Wettbewerben in London nicht so hoch war, führt Gina Lückenkemper nicht auf die vermehrten Doping-Kontrollen zurück. „Doping-Kontrollen hat es auch schon früher gegeben. Bei der Beurteilung des Leistungsniveaus sollte man bedenken, dass 2017 ein typisch nacholympisches Jahr ist. Auch Top-Athletinnen und -Athleten benötigen einmal Ruhephasen. Zudem waren die Witterungsbedingungen in London von Tag zu Tag recht unterschiedlich. Es war teilweise recht kalt. Dies schlug sich natürlich auch in den Leistungen nieder“, unterstrich die Studentin der Wirtschaftspsychologie an der Ruhr-Uni Bochum.

Gina Lückenkemper erzielte im Olympiajahr ihre besten Leistungen über 200m (Bestzeit 22,67 sek). In diesem Jahr konzentrierte sie sich vornehmlich auf die 100m-Distanz. Die lange Sprintstrecke möchte sie natürlich nicht aus den Augen verlieren: „Die 200 Meter“, so Lückenkemper, „werde ich im kommenden Jahr auf jeden Fall wieder in Angriff nehmen“.

Gina Lückenkemper macht Neuroathletiktraining in London bekannt

In London verriet die Sprinterin der LG Olympia Dortmund, dass sie oft an einer Batterie lecke, um über die Zunge ihre Nervenbahnen im Gehirn zu aktivieren. „Warum soll ich das Neuroathletiktraining, das einige Athleten bereits kennen, für mich behalten? Ich möchte, dass es im Sport weiter vorangeht. Daher habe ich dieses legale Mittel zur Leistungssteigerung in London zur Sprache gebracht“, begründete Gina Lückenkemper ihre große Offenheit.

Während der WM hat die Athletin von Uli Kunst von der ARD und vom ZDF jeweils eine 9V-Batterie geschenkt bekommen, sodass sie inzwischen über drei 9-V-Energiespender verfügt. „Damit komme ich erst einmal eine Zeitlang aus, weil der Verbrauch beim Lecken nicht allzu hoch ist“.

Nach der Veranstaltung „Berlin fliegt“, bei der Gina Lückenkemper über 30 Meter starten wird, geht es für sie erst einmal in den verdienten Urlaub. Über die Europameisterschaften 2018 in Berlin hat sie sich zurzeit noch keine großen Gedanken gemacht, denn sie möchte erst einmal die WM-Saison erfolgreich abschließen. Fest steht jedoch schon, dass sie auf jeden Fall eine Hallensaison bestreiten wird, denn die deutschen Hallenmeisterschaften 2018 finden am 17./18. Februar  in Dortmund statt,  und da wird Lokalmatadorin Gina Lückenkemper sicherlich zu den Zugpferden zählen.