Gina Lückenkemper, was haben Sie im Sommer vor fünf Jahren gemacht?
Gina Lückenkemper: Da war ich 15 Jahre alt und bin bei meiner ersten internationalen Meisterschaft gestartet. Es war die U20-WM in Barcelona. Anschließend habe ich die Olympischen Spiele in London im Fernsehen verfolgt.
Haben Sie 2012 gedacht, dass Sie fünf Jahre später selbst schon Olympische Spiele erfolgreich bestritten haben werden und vor Ihrem zweiten WM-Start stehen?
Lückenkemper: Ehrlich gesagt nein. Klar habe ich damals davon geträumt, 2016 selbst bei den Olympischen Spielen dabei zu sein. Aber ich hätte nicht erwartet, dass ich es wirklich schon schaffen würde. Der Weg von einer Deutschen Jugendmeisterin bis hin ins Olympia-Team ist recht weit. Mit dem zweiten WM-Start hätte ich noch weniger gerechnet.
2012 in London herrschte eine besondere Stimmung. Die fairen britischen Fans haben die Leichtathletik gefeiert. Ist dadurch das Kribbeln vor dem WM-Start noch ein wenig größer als ohnehin schon?
Lückenkemper: Ja, auf jeden Fall. Die Stimmung kam 2012 auch im Fernsehen super rüber. Von daher freue ich mich wahnsinnig auf die Rennen. Ich denke, dass die Stimmung wieder super werden wird, zumal fast 700.000 Tickets verkauft worden sind und das Stadion voll werden wird. Zudem war die Para-WM vor ein paar Wochen in Sachen Stimmung schon ein guter Vorgeschmack.
Blicken wir zwei Jahre zurück auf Ihr WM-Debüt in Peking: Was hat sich seitdem im Sportlerleben von Gina Lückenkemper getan?
Lückenkemper: Eine ganze Menge. Alles ist deutlich professioneller geworden, mein ganzes Umfeld ist zielgerichteter auf den Sport ausgerichtet. Außerdem habe ich seit der WM in Peking mental eine große Entwicklung durchgemacht und kann besser mit Drucksituationen umgehen.
Sie starten am 5. August mit den 100-Meter-Vorläufen in die WM. Vor zwei Jahren in Peking fehlten Ihnen fünf Hundertstel zum Halbfinaleinzug. Wie lauten Ihre Ziele für die Einzelrennen in London?
Lückenkemper: Ich möchte über 100 Meter auf jeden Fall das Halbfinale erreichen. Wenn die Bedingungen passen, will ich außerdem noch einmal die „10 vor dem Komma“ in Angriff nehmen.
Das Halbfinale findet am Sonntagabend unter Flutlicht vor wahrscheinlich mehr als 60.000 Zuschauern statt. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an die Atmosphäre denken?
Lückenkemper: Da kommt Freude auf!
In der von Olympiasiegerin Elaine Thompson mit 10,71 Sekunden angeführten WM-Startliste liegen Sie mit 11,01 Sekunden auf Platz elf. Rechnen Sie sich sogar Finalchancen aus?
Lückenkemper: Nein, das Finale ist noch ein gutes Stück weg. Die letzten großen Meisterschaften haben gezeigt, dass man dafür klar unter elf Sekunden laufen muss. Mein Ziel im Einzel ist das Halbfinale. Schon das wird eine schwierige Aufgabe.
Ihre Bestzeit von 11,01 Sekunden sind Sie im Vorlauf der Deutschen Meisterschaften in Erfurt gelaufen. Danach wurden Sie von muskulären Problemen geplagt. Wie geht’s Ihnen aktuell?
Lückenkemper: Mir geht es wieder super. Ich wurde in der Vorbereitung in Kienbaum optimal versorgt. Das medizinische Team vom DLV hat wirklich tolle Arbeit geleistet. Danke an Physiotherapeut Raffael, Chiropraktiker Lasse und Osteopathin Susi. Nicht zu vergessen der Neuroathletik Trainer Lars Lienhard. Sie haben mich optimal betreut und fit gemacht für London.
Sind Sie also wieder bei 100 Prozent?
Lückenkemper: Voll und ganz!
Bei der WM ist auch Rebekka Haase (LV 90 Erzgebirge) am Start. Gibt das zusätzliche Sicherheit, wenn man eine gute Freundin an seiner Seite hat?
Lückenkemper: Ja ungemein, auch wenn Rebekka die 200 Meter läuft. Es tut immer gut, eine gute Freundin wie Becky dabei zu haben. Wir unterstützten uns gegenseitig, ob im Wettkampf oder im Trainingslager.
Nach dem Einzel kommt die Staffel, in der Sie und Rebekka Haase an den Positionen drei und vier gesetzt sind. Welche Chancen rechnen Sie sich am vorletzten WM-Tag aus?
Lückenkemper: Wir wollen auf jeden Fall um die Medaillen mitlaufen. 2015 waren wir Fünfte bei der WM, 2016 in Rio Olympia-Vierte. Wir haben uns also ein beachtliches Niveau in der Weltspitze erarbeitet.
2012 gab’s in London den Staffel-Weltrekord der USA mit fantastischen 40,82 Sekunden. Olympia-Bronze ging in 42,04 Sekunden an die Ukraine. Orientieren sich die deutschen Sprinterinnen an diesem Wert, bzw. der 42-Sekunden-Marke, anstatt auf die Sprint-Nationen USA und Jamaika zu blicken?
Lückenkemper: Nein, wir stellen uns auf die Bahn und tun das, was wir am besten können und was wir lieben: schnell laufen!
Letzte Frage: Bei der DM in Erfurt gab’s für Sie als Belohnung Thüringer Bratwurst. Stehen in London Fish and Chips n auf dem Speisezettel?
Lückenkemper: Das steht noch nicht fest. Mal schauen, was ich vor Ort so alles finde.
Die Startzeiten* von Gina Lückenkemper in London
100 Meter
5. August, 12:45 Uhr Vorlauf
6. August, 20:10 Uhr Halbfinale
6. August, 22:50 Uhr Finale
4x100 Meter
12. August, 11:35 Uhr Vorlauf
12. August, 22:30 Uhr Finale
*) Deutsche Zeit, Ortszeit London minus eine Stunde. Die WM wird komplett live bei ARD oder ZDF sowie bei Eurosport übertragen.