Für Wolf-Dieter Poschmann kommt's bei Straßenläufen auf die richtige Mischung an

Am Vormittag überreichte Wolf-Dieter Poschmann im Rahmen einer Pressekonferenz im April in der Hauptstelle der Vereinigten Volksbank Münster dem eifrigen Orga-Team des Münster-Marathons die Urkunde zum beliebtesten Marathon Nordrhein-Westfalens. Am Abend traf sich der frühere ZDF-Sportstudio-Moderator im selben Gebäude zu einer Talkrunde ein, um im Vorfeld des 17. Volksbank-Münster-Marathon am 9. November 2018 mit interessierten Sportlerinnen und Sportlern einige wichtige Themen rund um das Laufen zu besprechen.

Bei  großen Straßenläufen sind die Rollen meist schnell verteilt. Vorneweg stürmen die übermächtigen afrikanischen Langstreckler, dann kommen einige leistungsstarke Europäer und anschließend mit großem Abstand die bunte Schar der Hobbyläuferinnen und -läufer. Deutsche Spitzenathletinnen und -athleten haben kaum noch eine Chance gegen die schnellen Afrikaner, die ein unerschöpfliches Reservoir an Weltklasse-Läuferinnen und -Läufer zu haben scheinen.

Dies hat zur Folge, dass sich das Interesse der deutschen Medien, insbesondere des Fernsehens, bei  Lauf-Veranstaltungen innerhalb und außerhalb  des Stadions bis auf wenige Ausnahmen in Grenzen hält. Um eine größere öffentliche Aufmerksamkeit bei Straßen- und Bahnläufen zu erzielen, schlug der frühere ZDF-Sportchef vor, Veranstaltungen  zu konzipieren, bei denen es wie bei einem schmackhaften Menü auf die richtige Auswahl ankommt. „Natürlich geben die Läufer Ostafrikas einer Veranstaltung den internationalen Glanz. Die Leichtigkeit, die Geschmeidigkeit, die Ästhetik sind einfach einzigartig, nur sollte die Auswahl wohl überlegt und nicht für den Rest des Feldes erdrückend sein. Es sollte auf jeden Fall Platz für nationale Eliteläuferinnen und -läufer sein", betonte Wolf- Dieter Poschmann.  Ganz wichtig findet  er die Präsenz  der regionalen Elite und der hoffnungsvollsten Talente aus dem Umland: „Eine entsprechende Mischung und eine der Veranstaltung angemessene Balance  zwischen diesen Gruppen zu finden, das genau ist die Kunst, die Herausforderung eines Organisations-Teams, natürlich auch in Münster.“

Der frühere deutsche Marathon-Vizemeister (1973) und heutige Moderator vieler Leichtathletik-Veranstaltungen würde nie die Meldung einer Athletin oder eines Athleten ablehnen, doch er gibt zu bedenken: „Man muss  einfach Verständnis haben für die deutschen Spitzenläuferinnen- und -läufer, die eingespannt sind in einen engen Terminplan mit dem Druck, die vom DLV geforderten Normen für  Olympische Spiele und internationale Meisterschaften zu erfüllen. Man darf dann nicht enttäuscht sein, wenn sie dann einen Bogen machen um Straßenläufe, die extrem dominiert werden von der ausländischen Konkurrenz und damit für sie mit einer geringen Chance verbunden sind, auf einen der vorderen  Rängen zu landen und damit angemessen entlohnt zu werden.“  Nur Insider wissen nach Meinung von Poschmann, wie knallhart in diesen Rennen aufs Tempo gedrückt wird, und wie extrem der finanzielle Verdrängungswettbewerb ist.

Der Sport lebt von Spannungsmomenten und von Geschichten, die sich um Personen ranken. Diese Helden brauchen nicht immer die Besten zu sein. Wolf-Dieter Poschmann zog eine Parallele zu den Olympischen Spielen, bei denen nur drei Athletinnen und Athleten pro Nation in einem Wettbewerb starten dürfen. Bei einer anderen Regelung würden seiner Meinung die Entscheidungen auf den Langstrecken wahrscheinlich eine recht einseitige Angelegenheit bilden, und das Interesse der Medien und Zuschauer würde Richtung Null tendieren.

Gesundheitswert des Laufens wird erst später geschätzt

Ein weiteres Thema der Talkrunde war, dass es  in Deutschland viel Masse, aber nur wenig Klasse gibt. Die Ursachen für diese Entwicklung sind recht vielfältig. Ein Grund bildet für Wolf-Dieter Poschmann unter anderem, dass die meisten  Leute erst spät  mit dem Laufen beginnen: „Viele wissen erst von einem bestimmten Alter an den Wert und den Nutzen des Laufens für ihr Wohlgefühl, ihren Ausgleich und ihre Gesundheit zu schätzen. Laufen ist das Einfachste, Naheliegendste und Effektivste, was den Aufwand anbetrifft. Und inzwischen ist das Joggen ja gesellschaftlich akzeptiert, das war nicht immer so.“

Der Moderator erinnerte an die Zeiten, als Langstreckler noch Exoten waren und ihnen oft im Wald oder auf der Straße hinterher gerufen wurde („links zwei, drei“). Früher hat er oft in Hotels verschämt das Treppenhaus genommen, weil er sich mit der verschwitzten Joggingkleidung im Aufzug unwohl fühlte. „Heutzutage zählen Jogger in Hotels zum Alltagsbild. Teilweise erhält man vom Personal sogar Hinweise auf Jogging-Strecken", sagte Wolf-Dieter Poschmann, der in einem moderaten Tempo immer noch regelmäßig  läuft.

Die Laufbewegung ist seiner Meinung so erfolgreich, weil das Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Laufen stärkt das Herz, die Lunge und das  Immunsystem. Es verbrennt Fett, baut Stress ab und macht glücklich. Allerdings kann der Laufspaß schnell ein Ende finden. Wer aus einer  fixen Idee heraus an einem Marathonlauf teilnehmen möchte, riskiert seine Gesundheit, denn der Lauf über die klassische Distanz bildet eine extreme Belastung für den gesamten Körper und erfordert daher eine langfristige Vorbereitung. Vorsicht ist vor allem geboten, wenn Vorerkrankungen vorliegen.

Poschmann lobte in diesem Zusammenhang das in Münster schon seit Jahren bewährte AOK-Mentorenkonzept, bei dem sich Marathon-Novizen unter der fachkundigen Anleitung erfahrener Marathonläufer auf den Volksbank-Münster-Marathon vorbereiten können. Wer bei der Marathon-Vorbereitung zu wenig auf seine Erholung achtet, für den kann der Schuss sehr schnell nach hinten losgehen. Wolf-Dieter Poschmann riet daher den Zuhörern, immer wieder Regenerationsphasen einzulegen. Das gilt für Läuferinnen und Läufer aller Alters- und Leistungsklassen. „Wir haben früher immer knallhart trainiert. Das war nicht gut", betonte der frühere deutsche Halbmarathon-Rekordler (1978: 1:03:36h).

Journalisten sind in erster Linie Berichterstatter

Jede Sportart benötigt Leitfiguren, damit sich junge Leute an ihnen orientieren können. „Medien wird immer wieder vorgehalten", so Wolf-Dieter Poschmann, „zu wenig zum Glanz und Glamour der einheimischen Aktiven beizutragen. Nur ist das nicht die vornehmliche Aufgabe der Medien. Wir sind in einer Linie Berichterstatter. Wenn aber herausragende Sportlerinnen und Sportler eine interessante Geschichte mitbringen, wenn sie außergewöhnliche Charaktere und Persönlichkeiten sind, die über Charisma und Ausstrahlung verfügen, dann stellen wir das natürlich heraus. Dieter Baumann war so ein Beispiel. Heute fasziniert Gesa Krause die Lauffans, auch wenn es bei ihr einmal nicht für eine Medaille reicht. Auch Konstanze Klosterhalfen reißt die Zuschauer mit, selbst wenn ihr Mut zum Tempo und ihre Unbekümmertheit nicht immer belohnt werden. An Themen mangelt es also nicht.“

Wolf-Dieter Poschmanns große Idole waren damals der „frontrunner“ Steve Prefontaine (USA), der 1975 im Alter von 24 Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam, und Doppel-Olympiasieger Lasse Viren (Finnland). Diese beiden Ex-Weltklasseläufer, die erfolgreich, mutig und selbstbewusst waren, boten damals viele Orientierungs- und Identifikationsmöglichkeiten. Mit ihrer großen Ausstrahlung  würden sie auch heute noch die Langstrecken-Szene bereichern.