„Die jetzt bekannt gewordenen Überlegungen des Berliner Senats, das Olympiastadion in der deutschen Hauptstadt auf Wunsch des Bundesligisten Hertha BSC zu einer reinen Fußballarena umzubauen und somit die 400-m-Rundbahn zu opfern, haben landesweit zu Diskussionen und vor allem zu heftigen Protesten der Leichtathleten und ihrer Organisationen geführt. Auch der gemeinnützige Verein „Freunde der Leichtathletik“ (FdL), eine mehr als 1000 Mitglieder zählende Gemeinschaft zur sozialen und finanziellen Förderung der Leichtathletik, insbesondere der Jugendleichtathletik, hat sich dem Widerstand gegen die Berliner Planspiele angeschlossen. In einem Offenen Brief möchten die „FREUNDE“ vor allem auf die übergeordneten Probleme hinweisen, die dem olympischen Kernsport entstehen, wenn ihn der Kommerzsport Fußball aus der Arena verdrängt, die von 1934 bis 1936 in erster Linie für die Leichtathletik erbaut worden war.
Sollten die Berliner Politik und Hertha BSC ernst machen mit ihrem Vorhaben, würde das den Höhepunkt des Kahlschlags der Leichtathletik in deutschen Großstadien bedeuten: Aus den Arenen in Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, Stuttgart und Hannover, ehemals Hochburgen für nationale und internationale Meetings, ist die Leichtathletik bereits vertrieben und in die Provinz abgeschoben worden, im extrem zweckentfremdeten Münchner Olympiastadion musste sie dem Motorsport weichen. Fällt auch Berlin aus, gibt es in Deutschland kein vom Internationalen Leichtathletik-Verband zertifiziertes Class 1-Stadion mehr. Das bedeutet: Die EM 2018 in der Bundeshauptstadt ist auf Jahre hinaus die letzte internationale Großmeisterschaft in Deutschland und das hochrangige, traditionelle Eintages-Meeting ISTAF dann ebenfalls Vergangenheit; den Schaden hätten auch die Fans, deren bevorzugtes Reiseziel Berlin ist.
Verheerend für den Sport der Läufer, Werfer und Springer aber ist das Signal, das vom Rauswurf in Berlin ausgehen würde; es trifft die Leichtathleten ins Mark und vermittelt ihnen das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, zumindest auf der großen Bühne. Damit wird ihre aus Sicht der Öffentlichkeit momentan schwierige Situation, in die sie durch generell strukturelle Schwächen ihres Sports, das Dopingproblem und internationale Funktionärsaffären geraten ist, weiter belastet. Betroffen wäre auch der leichtathletische Nachwuchs, der ein primäres Anliegen der FREUNDE ist, zerstört man ihm doch eine Vision: Das einmalige Erlebnis eines Starts in dem Traditionsstadion, einem Schwerpunkt der Sporthistorie, in dem ihren Vorbildern Jesse Owens, Usain Bolt oder Robert Harting einst der rote Teppich ausgerollt wurde. Das „Wir fahren nach Berlin“ gilt nicht nur für Pokalfußballer.
"Kein Tempel der Monokultur"
Die 'Freunde der Leichtathletik' appellieren daher an die in die Umbaupläne involvierten Parteien, sich auf eine Lösung der Vernunft zu einigen, tolerantes Miteinander von Leichtathleten und Fußballern im Stadion zu ermöglichen. Rom und Paris haben das geschafft und auch London. Warum nicht auch Berlin? Es geht nicht an, dass der olympische Sport sich immer häufiger auf die Seite der Verlierer gedrängt sieht. Der FREUNDE-Appell richtet sich zudem an die Kulturpolitik, den mutwilligen Verrat an einer grandiosen Idee zu stoppen: Berlins Stadion wurde vor 81 Jahren als Heimstatt für die Ursprünge des Sports errichtet und nicht als Tempel für eine Monokultur. Das sollte auch heute noch einvernehmliche Gewissheit sein“.