FLVW-Internats-Torhüterinnen: U 17-WM in Uruguay statt Kreisliga

Der TuS Lipperode aus Lippstadt in Südwestfalen: Mit 18 Teams, darunter zwölf im Nachwuchs, ist der Verein gut aufgestellt, allerdings spielt die erste Mannschaft nur in der Kreisliga. Eine Nationalspielerin, die Deutschland bei einer Weltmeisterschaft vertritt, vermutet man hier am Delbrücker Weg eher nicht. Es ist Wiebke Willebrandt, die Torhüterin der U 17-Juniorinnen des DFB, die sich gerade den Traum eines jeden Fußballers erfüllt – genauso wie Maria Luisa Grohs vom 1. FC Gievenbeck.

Der Klub aus Münster ist mit insgesamt 29 Mannschaften, davon 24 in den Junioren, noch größer als der TuS Lipperode und die Erste ist immerhin in der Oberliga Westfalen am Ball. Doch auch Maria Luisa Grohs, wie Wiebke Willebrandt „Goalie“, ist so etwas wie ein Sonderfall in der Auswahl von DFB-Trainerin Ulrike Ballweg, denn die meisten Spielerinnen kommen aus den Nachwuchsleistungszentren von Bundesligisten wie Bayern München, dem VfL Wolfsburg oder den seit jeher starken Frauenfußball-Klubs 1. FFC Frankfurt, Turbine Potsdam oder SGS Essen. Willebrandt und Grohs werden im Mädcheninternat des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen (FLVW) gefördert – leben und trainieren im SportCentrum Kaiserau, gehen in Kamen zur Schule. Und spielen am Wochenende in ihren Heimatvereinen.

Am Mittwochabend ging es für die U17-Mädels los, vom Treffpunkt Frankfurt am Main über Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires nach Colonia del Sacramento in Uruguay. Am Mittwoch (14. November, ab 21 Uhr, live auf Eurosport) sind gleich die amtierenden Weltmeisterinnen aus Nordkorea der erste Gegner der deutschen Mannschaft. Im weiteren Gruppenverlauf geht es dann gegen Kamerun (17. November, ab 21 Uhr) und die USA (21. November, ab 21 Uhr, live auf Eurosport).

Vor dem Auftakt hat FUSSBALL.DE mit Wiebke Willebrandt und Maria Luisa Grohs über das große Abenteuer WM gesprochen und wie es ist, zu Hause mit Jungs in einem Team zu spielen.

Hallo Wiebke und Maria Luisa, wie habt Ihr den Flug nach Buenos Aires überstanden und wie sind die ersten Tage in Uruguay?

Wiebke Willebrandt: Die Anreise war schon sehr lang, auch wenn wir nachts unterwegs waren und im Flugzeug ein wenig schlafen konnten. Ich bin sehr froh, dass ich jetzt vor Ort bin und die Vorbereitung auf die WM so richtig losgeht.
Maria Luisa Grohs: Für uns ist es jetzt wichtig, den Jetlag so schnell wie möglich zu überwinden und in den Rhythmus zu kommen. Der Donnerstag war zur Regeneration da und seit Freitag sind wir in den Abläufen, die man vor einem Turnier braucht.

Wie seid Ihr untergebracht?

Willebrandt: Im Unterschied zur A-Mannschaft der Männer haben wir kein eigenes Hotel. Das ist aber völlig normal bei den Juniorinnen- und Juniorenteams.

Eure Gruppengegner sind sogar im selben Hotel.

Willebrandt: Wir sind zwar Konkurrentinnen auf dem Platz, aber das bedeutet nicht, dass wir uns im Hotel nicht mit sehr viel Respekt begegnen.

Ihr seid noch sehr jung und spielt – im Gegensatz zu den meisten Eurer Teamkolleginnen – beide in kleinen Amateurvereinen. Jetzt reist Ihr von Lipperode beziehungsweise Gievenbeck 10.000 Kilometer nach Südamerika und habt eine WM vor Euch. Ist man da nicht total nervös?

Willebrandt: Im Moment geht es noch, da es bis zum ersten Spiel gegen Nordkorea ja noch ein paar Tage hin sind. Die Nervosität wird sich dann sicher einstellen, je näher der Anstoß rückt. Allerdings leben wir gerade das, wovon sicher jede Fußballerin und jeder Spieler träumt: Wir spielen das größtmögliche Turnier: eine WM.
Grohs: Das sehe ich genauso. Alle im Team spüren einfach eine Riesenvorfreude auf die WM. Wir können uns mit den besten Spielerinnen der Welt messen und wollen so weit wie möglich kommen. Dass es sehr schwer wird und wir eine Hammergruppe erwischt haben, wissen wir natürlich, aber das ist ein umso größerer Ansporn, alles aus sich heraus zu holen.

Am Mittwoch geht es gleich gegen die amtierenden U-17-Weltmeisterinnen aus Nordkorea.

Willebrandt: Bei einer WM sind alle Gegner gut, sonst würden sie nicht an einem Endrundenturnier teilnehmen. Von daher ist es auch fast egal, gegen wen wir spielen, denn du musst immer an deine Grenzen gehen, um bei einer WM erfolgreich zu sein. Ich freue mich sehr auf die Spiele, weil wir in Spielen gegen gute Gegner am meisten lernen. Wir wollen natürlich die Gruppe überstehen, danach schauen wir weiter.

Ihr trainiert und spielt in Lipperode beziehungsweise Gievenbeck in der männlichen B-Jugend. Wärt Ihr bei den Mädchen unterfordert?

Willebrandt: Ich möchte es mal anders ausdrücken: Bei den Jungs geht es auf dem Platz viel schneller zu und die Schüsse sind härter. So kann ich mich als Torhüterin einfach viel besser weiterentwickeln.

Kommen da keine blöden Sprüche von den Gegnern, so nach dem Motto: Wieso habt Ihr ein Mädchen im Tor?

Willebrandt: Manchmal gibt es komische Blicke, aber erstens blende ich so etwas sowieso komplett aus und außerdem unterstützen mich die Jungs super. Ich bin da ein ganz normales Teammitglied, völlig unabhängig vom Geschlecht.

Trotzdem: Müsstet Ihr nicht zu einem größeren Verein wechseln, um im Frauenfußball weiter zu kommen?

Willebrandt: Für mich stellt sich diese Frage erst einmal nicht. Ich bin in Lipperode glücklich.
Grohs: Bei mir sieht's etwas anders aus. Da ich im nächsten Jahr mein Abi mache und dann in Münster studieren möchte, werde ich nach dieser Saison wohl zu einem anderen Klub wechseln. Welcher das sein wird, steht noch nicht fest.

Apropos Abi: Was sagt denn Deine Schule dazu, dass Du in Uruguay nach dem WM-Titel greifst statt in der Klasse zu sitzen?

Grohs: Das ist super geregelt. Meine Schule weiß ja Bescheid und wir haben hier zwei Lehrer dabei, mit denen wir außer an den Spieltagen Unterricht machen und sogar unter Aufsicht Klausuren schreiben. Ich schreibe zum Beispiel in den nächsten Tagen Erdkunde – hoffentlich kann ich mich auch konzentrieren. (lacht)