Dritter DM-Titel für Nele Alder-Baerens bei den 100-Kilometer-Meisterschaften

Eine unglaubliche Leistung. Wie hat sie das wieder gemacht? Bei den deutschen 100 Kilometer-Meisterschaften in Rheine gelang Nele Alder-Baerens (Ultra Sport Club Marburg) der dritte Titelgewinn in Folge.

In ausgezeichneten 7:33:14 Stunden lag die 39-jährige Ultraläuferin recht deutlich vor Susanne Kraus (PSV Grün-Weiß Kassel, 7:59:11 h) und Anke Libuda (BSG Springorum Bochum, 8:43:37 h). Bei ihrer überzeugenden Vorstellung blieb die seh- und hörbehinderte Läuferin nur 4:10 Minuten über ihrer persönlichen Bestzeit.

Lediglich am Start um 6.00 Uhr hatte Nele Alde-Baerens aufgrund ihrer Sehbehinderung Schwierigkeiten. Aber sie heftete sich in der Dunkelheit an einige Männer, sodass sie Sicherheit hatte, bis es hell wurde. „Alleine hätte ich die Strecke nicht gefunden. Dadurch, dass ich mit den Männern mitgelaufen bin, war allerdings das Tempo für mich etwas zu hoch. Ich musste daher hinterher etwas zurücknehmen, sonst hätte ich Probleme bekommen", berichtete die für Marburg startende Berlinerin.

Nele Alder-Baerens fast noch frisch im Ziel

Abgesehen von einer kurzen Phase bei circa 45 Kilometer, ließ sie keine Schwäche erkennen und zog ihr Ding wie geplant durch. Im Ziel hatte man nicht den Eindruck, dass sie die letzten Reserven aus sich herausgeholt hätte. Mit ihrer Zeit zeigte sich die Weltklasse-Ultralangstrecklerin hochzufrieden. „Ich habe mich unwahrscheinlich gefreut, dass es wieder wärmer geworden ist. Noch vor einer Woche hätte ich große Probleme gehabt, denn ich kann bei niedrigen Temperaturen nicht laufen, weil ich so friere. Daher habe ich auch im Vorfeld mein Training nicht wie geplant durchziehen können", sagte überglückliche  Siegerin, die in diesem Jahr gerne bei den 100 Kilometer-Weltmeisterschaften in Kroatien unter die Top Ten kommen möchte.

Sauerstoffmangel während der Geburt führte bei Nele Alder-Baerens zu einer Hör- und Sehschädigung. Den verdienten Beifall der Zuschauer entlang der Strecke und im Ziel konnte die fünffache Deaflympics-Medaillengewinnerin daher nicht hören. Sie trägt zwar ein Cochelea-Implantat, schaltet es während des Rennens aber immer ab, weil sie die Außengeräusche als unangenehm empfindet. Zudem kann sie sich ohne ihre akustische Hilfe besser auf ihren Lauf konzentrieren

Beim Laufen kann Nele Alder-Baerens am besten abschalten - vor allem beim Training. Schon als Kind hatte sie einen großen Bewegungsdrang. So lief sie zur Schule, anstatt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Während ihrer Schulzeit erhielt sie einen Brief vom Gehörlosensportverband, der noch eine Läuferin für die 4 x 400-Meter-Staffel suchte. 1997 wurde sie für die Deaflympics, den Weltspielen der Gehörlosen, nominiert.  Mit der Zeit wurden die Strecken bei Nele Alder Baerens immer länger. 2013 gab sie in Berlin ihr Marathon-Debüt und ließ mit 2:46:07 Stunden aufhorchen. Damit stellte sie gleichzeitig einen neuen Weltrekord für Gehörlose auf. 2014 erhielt die gebürtige Berlinerin eine Anfrage von einer Ultraläuferin aus Marburg, ob sie sich auch längere Strecken als die Marathon-Distanz zutrauen würde. Nele Alder-Baerens ließ sich nicht zweimal bitten. 2016 gewann die promovierte Biophysikerin in Leipzig ihre erste Deutsche Meisterschaft über 100 Kilometer in 7:29:04 Stunden.

Eine bemerkenswerte Leistung bot auch die zweitplazierte Susanne Kraus, die sich bei ihrem zweiten 100-Kilometer-Lauf um über 19 Minuten verbesserte. Die Polizeibeamtin hatte von Donnerstag auf Freitag noch Nachtdienst. „Das war daher ganz schön hart für mich", erklärte die 38-jährige Läuferin des PSV Grün-Weiß Kassel. Zeit für Erholung bleibt ihr nicht viel, denn sie muss morgen wieder zum Nachtdienst antreten.

Große Freude herrschte bei der drittplazierten Anke Libuda, die sich um 45 Minuten steigerte. Die frühere Schwimmerin, die sich seit zehn Jahren den Ultrastrecken verschrieben hat, nannte im Ziel ihr Erfolgsgeheimnis: „Ich habe in letzter Zeit sechs Kilo abgenommen und wiege nur noch 65 Kilogramm.“ Respekt.

Alexander Dautel gewinnt bei seinem dritten Lauf ersten DM-Titel

Bei den Männern fehlte  Vorjahressieger Benedikt Hoffmann (TSG 1845 Heilbronn, 2017: 6:48:15 h). Sein Nachfolger wurde Alexander Dautel (LG Nord Berlin Ultrateam), der im Ziel bei seinem dritten 100-Kilometer-Lauf in 7:01:04 Stunden vor Gerrit Wegener (Lauffreunde, 7:03:56 h) und Christoph Lux (Viktoria Augsburg, 7:33:16 h) lag. „Ich wäre gerne unter sieben Stunden gekommen, aber der Wind war etwas zu stark, sodass meine Kilometerabschnitte zwischen 4:03 und 4:30 Minuten schwankten", berichtete der frühere Fußballer, der von seiner Körperstatur (1,89 m/78 kg) gar nicht wie ein asketischer Langstreckler aussieht. Zum Ultra-Langstrecklemlauf kam der 29-jährige Statistik-Student, der kurz vor seinem Abschluss steht, über den blinden Läufer Anton Luber (Nürnberg), den er mehrfach bei 100-Kilometer-Läufen begleitete.

Alexander Dautel blieb genauso wie der Zweitplazierte Gerrit Wegener unter der WM-Norm von 7:15 Stunden. „Ich hoffe, dass ich an den Weltmeisterschaften teilnehmen kann, denn der Nominierungzeitraum geht bis Ende Mai. Da können sicherlich noch andere Läufer für diese Titelkämpfe in Frage kommen", sagte Alexander Dautel. Zudem möchte er in diesem Jahr wieder am Kopenhagen-Marathon teilnehmen und dort seine Bestzeit von 2:29:48 Stunden in Angriff nehmen.

Super-Strecke und vorbildliche Organisation

Die 100-Kilometer-Titelkämpfe fanden in der Theodor-Blank-Kaserne in Rheine statt. Das Gelände war ideal für die Durchführung dieser Meisterschaften. Gelaufen wurde auf einem fünf Kilometer-Kurs rund um die Landebahn. Die Strecke fand bei allen Starterinnen und Startern großen Anklang, denn sie war flach, durchgehend asphaltiert und daher sehr schnell. Vorbildlich organisiert wurden die Titelkämpfe von der LG Ultralauf und dem  Verein „6h-Lauf Münster“ mit Christian Pflügler an der Spitze. Großes Lob gab es daher zum Abschluss der Veranstaltung vom Ultra-Marathon-Berater des DLV, Norbert Madry, und vom Vorsitzenden des Bundesausschusses Laufen im DLV, Harald Rösch.