Daniel Jasinski, der Start der Saison-Vorbereitung zählt nicht gerade zu den Lieblingsphasen der Athleten. Wie viel Schwung hat Ihnen die olympische Medaille verliehen?
Daniel Jasinski: Die Motivation ist natürlich riesig! Nach wie vor. Jeder, der mal mit der Fahne eine Ehrenrunde im Stadion gedreht hat weiß, dass das süchtig macht und dass sich dafür alles lohnt. Das möchte ich noch mal erleben! Daher gebe ich weiterhin alles.
Die Ehrenrunde mit Deutschland-Fahne – war das rückblickend der schönste Moment von Rio?
Jasinski: Der schönste Moment… Sportlich gesehen war es auf jeden Fall auch der Wurf an sich, und dann die Siegerehrung. Dass mein Vater und Trainer [Anm. d. Redaktion: Miroslav Jasinski] live dabei war, hat mich sehr glücklich gemacht. Die Gewissheit, dass ich in dem Moment, in dem es drauf ankam, meine Leistung abgerufen habe, war super geil. Und nach dem Wettkampf die Nachrichten von der Familie, der Freundin – das war das zweite Highlight. Über den Zuspruch, den ich erfahren habe, freue ich mich heute noch. Ab und zu schaue ich mir auch noch mal das Video vom Wurf an. Das macht auf jeden Fall gute Laune.
… und hilft wahrscheinlich über die dunklen Monate in der Vorbereitung hinweg. Wie waren die ersten Einheiten?
Jasinski: Die ersten Wochen sind immer sehr, sehr hart! Da tut alles weh, und man fragt sich: Wo ist alles geblieben? Wir haben viel an der Ausdauer gearbeitet, Tempoläufe gemacht, das ist ja ohnehin nicht so die Sache von uns Werfern. Die intensive Phase beginnt aber eigentlich erst jetzt so richtig, denn ich war zwischendurch noch zur medizinischen Behandlung am Tegernsee.
Sie haben Beschwerden im linken Fuß in der Medical Park-Klinik in Bad Wiessee therapieren lassen. Wie sind die Fortschritte?
Jasinski: Das Problem ist, dass ein Zeh nicht richtig im Gelenk sitzt. Jeder Athlet hat ja so seine Schwachstellen, das ist meine. Um sie ganz zu beheben, müsste ich den Fuß operieren lassen. Aber auch dann kann mir keiner garantieren, dass die Beschwerden verschwinden. Am Tegernsee haben wir neue Dinge ausprobiert, Physiotherapie, Behandlung durch Bewegung, Krafttraining – das war sehr gut, aber ich muss das weiterführen. Auch zuhause habe ich Ärzte und Physiotherapeuten, die das Problem kennen. Bestimmte Dinge, wie barfuß Beachvolleyball spielen, kann ich nicht, aber insgesamt haben wir das Problem gut im Griff. Mit entsprechenden Maßnahmen wie Tapes und so weiter behindert mich der Fuß nicht.
Haben Sie seit Ihrem Erfolg bessere Rahmenbedingungen, um Ihren Sport auszuüben? Bessere medizinische Versorgung? Finanzielle Unterstützung?
Jasinski: Nein, eigentlich ist alles ungefähr so, wie es vorher war. Ich komme jetzt in den A-Kader, da kann ich häufiger Physiotherapie in Anspruch nehmen – aber das hat auch letztes Jahr schon gut geklappt. Was Sponsoren betrifft, ist nicht wirklich was dazu gekommen. Ein paar Sachen habe ich angefragt, aber bisher habe ich nur Absagen bekommen.
Als Sportsoldat und Athlet des TV Wattenscheid 01 können Sie glücklicherweise auf ein gutes Netzwerk und gute Trainingsbedingungen zurückgreifen. Nun muss Ihr Verein Kürzungen von Sponsoren-Mitteln verkraften. Hat das auch für Sie Folgen?
Jasinski: Noch habe ich meinen Vertrag nicht verlängert, aber wir führen nächste Woche Gespräche. Das wird sich, denke ich, alles fügen. Ich bin ja von Geburt an Wattenscheider! Ich bin froh, dass ich so einen Verein habe, der mich seit Jahren unterstützt und mir die Möglichkeit gibt, meinen Sport zu betreiben. Aber natürlich ist es schade, dass Sponsoren abspringen, zum Profi-Fußball gehen, und dass wir Schwierigkeiten haben, die Leichtathleten zu versorgen. Vielleicht ändert sich da noch was. Schön wäre es, wenn ich mit meiner Medaille dazu beitragen könnte.
67,05 Meter haben Ihnen in Rio Bronze gebracht – elf Zentimeter unter der Bestleistung, die Sie im Mai in Wiesbaden aufgestellt hatten. Was würden Sie sagen: Wie viel Luft ist noch nach oben?
Jasinski: Ich kann mich noch im Kraft-Bereich entwickeln, ich bin nicht der Stärkste an der Hantel. Daran werden wir arbeiten und ich hoffe, dass ich das auch in Technik umsetzen kann. Die Kunst ist es ja, die zusätzliche Kraft in die Technik zu übertragen. Schauen wir mal, wie weit es dann geht!
Olympiasieger Christoph Harting hat zuletzt in einem Interview erklärt, dass er sich als nächstes in Richtung Weltrekord orientiert. Der steht bei 74,08 Metern. Für wie realistisch halten Sie es, dass einer der aktuellen Athleten diese Marke in den nächsten Jahren überbieten kann?
Jasinski: Das ist schwierig zu sagen. Ich kenne ja auch die Zubringer-Werte der anderen Werfer nicht. Aber im Stadion so weit zu werfen, ohne Windeinflüsse – das kann ich mir nicht vorstellen. Da sehe ich momentan keinen. Von wann ist der Rekord? 1986? Das war auch eine andere Zeit, die ist mit heute nicht vergleichbar.
In Richtung 70 Meter sind dagegen eine Menge Athleten unterwegs, darunter zahlreiche Deutsche…
Jasinski Wenn ich mir anschaue, dass Markus Münch, der fünfte Deutsche in diesem Jahr, 66,78 Meter geworfen hat – das ist der Wahnsinn! Wenn man diese Leistungen ins Olympia-Finale stellen würde, wären wir alle vorne mit dabei. Das ist eine Motivation für die nächsten Jahre. Man weiß, dass der Kampf nicht nur international stattfindet, sondern dass man sich auch national positionieren muss.
Wie sieht denn der Fahrplan für die nächsten Monate aus?
Jasinski: Bis Ende des Jahres geht der Aufbau weiter. Dazu habe ich noch einen sechswöchigen Lehrgang bei der Bundeswehr in Warendorf, von Anfang November bis Mitte Dezember. Die Jahresplanung für 2017 steht noch nicht ganz, das besprechen wir nächste Woche alles.
Die WM in London dürfte da fest im Terminkalender notiert werden. Mit welchem Saisonverlauf im Jahr 2017 wären Sie denn ähnlich zufrieden wie mit dem Olympia-Jahr 2016?
Jasinski: Klar, ich möchte auf jeden Fall nach London, da freue ich mich sehr drauf. Und da am besten wieder eine gute Platzierung machen (lacht). Es ist super eng da vorne, das hat man dieses Jahr ja auch gesehen, wir haben uns alle im Bereich von zwei Metern bewegt, da entscheiden oft auch die Tagesform oder Kleinigkeiten.
Sie bringen stolze 2,07 Meter und 121 Kilogramm mit in den Ring – an Ihren körperlichen Voraussetzungen dürfte es jedenfalls nicht scheitern. Aber das liegt bei den Jasinskis ja in der Familie…
Jasinski: Ja, mein jüngster Bruder Julian spielt bei Phoenix Hagen in der Basketball-Bundesliga. Der hat die Gene auch mitbekommen – genau wie mein mittlerer Bruder Philipp. Er spielt Tennis. Mein Vater [Anm. d. Redaktion: Miroslav Jasinski war selbst erfolgreicher Diskuswerfer] ist auch über zwei Meter groß. Meine Mutter ist in der Mitte umstellt und geschützt (lacht).