Der traditionelle Hermannslauf feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag

Der Hermannslauf, kurz „Hermann“ genannt, ein rund 30 Kilometer langer Volkslauf vom Hermannsdenkmal bei Detmold bis zur Sparrenburg in Bielefeld, ist unbestritten einer der populärsten Volkssport-Events in Nordrhein-Westfalen, wenn nicht sogar der gesamten Republik. Anerkennend vergleichen ihn die Ostdeutschen mit ihrem legendären Rennsteiglauf und haben ihn schon als den „Rennsteig des Westens“ betitelt. Nun bereitet man sich in Ostwestfalen auf die 50. Austragung dieses Klassikers vor.

Bereits seit Jahresbeginn trifft man an den Wochenenden auf dem Kammweg des Teutoburger Waldes die längst zur Tradition gewordenen Laufgruppen, die sich auf den „Hermann“ vorbereiten. Bei den Organisatoren vom TSVE Bielefeld haben sich bereits innerhalb weniger Stunden nach dem Öffnen des Meldeschalters über 5.000 Läufer*innen für den zum 24. April angesetzten Hermannslauf angemeldet.

Was ist es, das den „ Hermann“ so populär gemacht hat, dass er für fast jeden sportlich orientierten Ostwestfalen neben Familiengründung und Hausbau längst zu einem „Muss im Leben“ geworden ist? Man wird dieses kaum mit einem Satz beantworten können, aber ganz gewiss hat eine ähnliche Fragestellung maßgeblich zum Entstehen des Hermannslaufes beigetragen. Als im März 1971 sechs Bielefelder Skilangläufer von ihrer ersten Teilnahme am berühmten Wasalauf in Schweden heimkehrten, stand auf einmal die Frage im Raum: Welcher Zauber hat die gewaltige Popularität dieses 90 Kilometer langen Skilanglaufes über die Hochmoore zwischen dem Västerdalfluss und dem Dalarna-Städtchen Mora geschaffen? Schließlich nahmen bereits damals alljährlich über zehntausend Langläufer an dem internationalen Skiklassiker teil, und selbst der noch junge König Gustav schaffte nach eisenhartem Training die Limitzeiten des Wasalaufes.

„Wir laufen anders herum, also vom Hermann nach Bielefeld.“

Auf einmal war bei den Bielefelder Skiläufern der Gedanke da: „Wir laufen auf dem Hermannsweg von Bielefeld zum Hermann“. An einem Märzsonntag startete eine kleine Laufgruppe bei der Sparrenburg in Richtung Hermannsdenkmal. Alles lief gut; die Läufer waren begeistert vom Landschaftserlebnis. Doch als sie am Fuße des Denkmalberges „Grotenburg“ ankamen und den steilen Anstieg zum „Hermann“ hinaufknautschten, da wich die Euphorie mehr und mehr der bangen Frage: „Kann man einen solchen Kraftakt im gesundheitsorientierten Volkssport anbieten?“ Schließlich hatte es damals, in den ersten Anfängen der Volkslaufzeit bereits einige Todesfälle bei unzureichend trainierten Volksläufern gegeben, welche Verbandsauflagen für die Volkslauf-Veranstalter erforderlich machten. Schnell war eine machbare Lösung gefunden: „Wir laufen anders herum, also vom Hermann nach Bielefeld.“

Doch bevor es dazu kam, dass sich am 16. April 1972 rund 600 Hermannsläufer*innen vor dem Sockel des Denkmals zum ersten Hermannslaufstart aufstellten, hatten die Organisatoren eine Menge Hindernisse zu bewältigen. Allgemeine Skepsis, dass ein solches Unternehmen überhaupt gelingen würde, prägten die Haltung der Genehmigungsbehörden wie auch des Fachverbandes. Dass der Bielefelder Skiclub die finanzielle Verantwortung für die erforderlichen Vorauszahlungen nicht übernehmen wollte und diese bei den Gründern beließ, war noch verständlich, doch dass man in Lippe noch nicht einmal die Schranke des Rundweges um das Denkmal für die Läufer öffnen wollte, da war das war schon ziemlich entmutigend. Schließlich schafften die Hermannslauf-Pioniere sich etwas Luft, indem sie den damaligen Innenminister Willy Weyer als Schirmherrn für den Lauf gewannen und den Parkwächtern oben beim Hermann 20 DM Schmiergeld in die Hand drückten, um die Schranke „mal eben kurz hoch“ zu bekommen.

Der Erfolg des ersten Hermannslaufes ließ die Teilnehmerzahlen in nur vier Jahren von 600 bis über 2.000 hochschnellen, sodass man den Start am Denkmalssockel aufgeben und gegenüber auf geräumigere Flächen verlegen musste. Auch die Strecke musste aus verkehrstechnischen Gründen mehrere Änderungen erfahren, die aber der Anziehungskraft des Hermannslaufes keinen Abbruch taten. Doch die Bewältigung der Organisation wurde für den kleinen Bielefelder Skiclub bald zu viel. Die Absicht, den Volkslaufriesen in eine gemeinnützige freie Organisation umzuwandeln, scheiterte, und so kam der Hermannslauf letztlich in die Hände des Bielefelder Großvereines TSV Eintracht. Hier machte er noch einmal einen guten Schritt voran, so dass bald ein Teilnehmerlimit von 7.000 Startern eingeführt werden musste, um das es alljährlich einen Riesenrun gibt. Auch die Organisation, die in den ersten Läufen rein ehrenamtlich und mit sehr viel Herzblut getragen wurde, musste dem Zug der Zeit angepasst werden.

Antritts- oder Preisgelder gibt es bis heute nicht

Eine Entscheidung aus den Pionierjahren ist allerdings geblieben: Beim Hermannslauf werden keine Antritts- oder Preisgelder gezahlt. Dem Lauf hat das nicht geschadet, denn die Startlisten sind nach wie vor rappelvoll. Die Populatrität des Laufes scheint eher deshalb noch gestiegen zu sein, wie kritische Reaktionen aus der Bevölkerung zeigten, als einmal ein Herforder Bauunternehmer auf eigene Kosten einen Afrikaner zum Gewinn des Hermannslaufes einfliegen ließ.

Was der Hermannslauf aber zweifellos geschafft hat, ist eine wahrscheinlich ziemlich hohe Zahl von (nicht nur) Ostwestfalen ans Laufen zu bringen. Auch sportgeschichtlich stand er einmal als wichtiger Meilenstein Pate für den in den Siebzigern aufblühenden Frauen-Langlauf.

Als die Wolfsburgerin Liane Winter beim Hermannslauf 1974 eine für damalige Zeiten unglaubliche Leistung erzielte, informierten die Hermannslauf-Organisatoren sofort den damaligen „Laufpapst“ Dr. Ernst van Aaken. Dieser entschied bereits nach ersten Vergleichen mit Marathonbestzeiten der Hermannslauf-Männer: „Diese Frau ist Weltklasse, sie muss zum Boston-Marathon, um dort gegen die besten Frauen der Welt zu laufen.“ Van Aaken bezahlte den Flug nach Boston für Liane Winter aus eigener Tasche, und sie gewann in Boston mit Frauen-Weltbestzeit. Winter, die so über Nacht ein internationaler Marathonstar geworden war, dankte es, indem sie bis 1982 immer wieder beim Hermannslauf antrat und gewann.

Auch bei den Männern gab es verschiedenen Seriensieger. Angefangen vom Bielefelder Helmut Bode, der die beiden ersten Läufe für sich entschied, bis zu Elias Sansar, dem Seriensieger der vergangenen Jahre, gab es immer wieder regionale wie überregionale Läufer, denen der traditionelle Hermannslauf-Siegerkranz mehr als einmal über die Schultern geworfen wurde.

Ähnlich wie der Hermannslauf den Aktiven viel abverlangt, so fordert auch die immer schwieriger werdende Austragung sehr viel von den Organisatoren. Seit dem letzten Hermannslauf, der aus Pandemiegründen im vergangenen Herbst mit reduzierter Teilnehmerzahl stattfand, verantwortet Almut Stief das Laufsport-Großunternehmen. Ihr zur Seite stehen routinierte Organisatoren aus den vergangenen Jahren, unter denen der erfahrene Rudi Ostermann als Urgestein eine ganz besondere Rolle einnimmt.

Ob das Gesicht und der Zauber des Hermannslaufes unter der Pandemie gelitten haben, werden schließlich im April nach dem Startschuss alle Hermannslauf-Enthusiasten entscheiden, die Läufer, die Organisatoren und auch die vielen Fans, welche alljährlich auf den Höhen des Teuto ihren Heroen zujubeln.